Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Grenzgänger der Malerei im Kunstverein
Ein Maler-Quartett der besonderen Art präsentiert eine Auswahl seiner Arbeiten im Buschhüterhaus des Kunstvereins. Die beiden Wahl-Krefelder Uwe Esser und Thomas Pöhler unterstreichen mit den Gästen Marcus Neufanger und Michael Growe, wie Malerei Raum greift. Die Grenzgänger erweitern den Begriff der klassischen Malerei um ihre individuellen Modi.
Ein studierter Maler, der Asphalt kocht, Beton gießt, Silikat verstreicht und Asche herstellt, um eine neue Form des Ausdrucks zu finden, zeigt mit drei weiteren Kollegen eine Auswahl seiner Arbeiten in der neuen Ausstellung des Kunstvereins Krefeld im Buschhüterhaus am Westwall 124. Die Eröffnung findet morgen um 19 Uhr statt. Der Wahl-Krefelder Thomas Pöhler (Meisterschüler von Konrad Klapheck) passt mit seiner neuen Art der Malerei in den Kontext, für den auch Marcus Neufanger aus Schwäbisch Hall, Michael Growe aus Köln und Uwe Esser aus Krefeld stehen. Sie alle sind Grenzgänger der Malerei und beweisen, dass der klassische Umgang mit Farbe, Pinsel und Leinwand dem Genre nicht mehr vollständig gerecht wird.
Pöhler liebt die Widersprüchlichkeiten seiner Werke. Auf erhitztem Asphalt druckt er mit Asche Fotomotive von gefrorenen Pfützen. Die Motive stammen aus dem Allgäu. Unvereinbares wie Wärme und Eis vereint der 50-Jährige in seiner kleinformatigen Reihe „Glance“. Vor der Hängung ist ein auf das Wesentliche reduziertes serielles Gewächshaus positioniert, von dessen First Zapfen aus Asphalt herabragen. Das Objekt hat etwas Apokalyptisches. Es scheint für Unheil und Katastrophe zu stehen. Es erinnert unwillkürlich an den fremdenfeindlichen Brandanschlag im Jahr 1993 auf ein Haus in Solingen.
Uwe Esser ist teilnehmender Künstler und Kurator in Personalunion. Der studierte Historiker und Künstler spinnt den Gedanken von der Eroberung des Raums durch Malerei und hat die Arbeiten entsprechend ausgewählt. Malerei, die ein Geheimnis birgt, überrascht und gleichsam getarnt wie die Krieger im Trojanischen Pferd die Betrachter herausfordert.
Esser hat zwei seiner 2,20 Meter mal 1,25 Meter großen Tafeln über Eck aufgestellt und von hinten mit vertikal arretierten Kronleuchtern erhellt. Die Installation, die er aus digital bedruckten und dann hintermalten Glasfaserplatten zusammengesetzt hat, zeigt Motive wie Tattoos, die er zusammengetragen und dann im Großformat neu arrangiert hat. Aber das ist nur die Vorderseite der hautartigen Bildflächen. Auf der Rückseite des durchscheinenden Bildträgers ist mit transparenten Lacken eine Malerei aufgetragen und wieder dahinter sind Lichtkreise zu sehen. Esser hat seine Installation so aufgebaut, dass man hinter die Kulissen schauen kann. Seine aus transparenten Schichten bestehende Malerei übersetzt er damit in ein Raumgefüge, das er je nach Ausstellungssituation neu zusammensetzen kann. So war die im Kunstverein zu sehende Arbeit im Sommer als hallenfüllende Installation mit insgesamt neun, auf sieben Meter hohen Gerüsten befestigten Bildtafeln in Tübingen zu sehen.
Marcus Neufanger beschäftigt sich in vielen seiner Werke mit Typografie und der Verbindung von Schrift und Bild im Kontext der Kunst. Im Krefelder Kunstverein hängt von ihm das großformatige Bild „Cock Fight Dance“, das ein kleines Büchlein von Sol Lewitt zitiert. Davor bewegt sich auf einem Kleiderständer ein Mantel, der sich in seinem Wesen erst auf den zweiten oder dritten Blick erschließt. Wie auf der dahinter zu sehenden Leinwand sind auf ihm Buchstaben zu erkennen. Offensichtlich ist er aus einem ehemaligen Bild ge- schneidert worden, das Format muss dem der Arbeit an der Wand entsprochen haben. Die Oberfläche eines Bildes wird so zu einem Kleidungsstück, das dazu auffordert, in es hineinzuschlüpfen. Ganz nebenbei hängt an diesem Ständer ein weiteres Accessoire: Der Mantel hat noch ein anknöpfbare Kapuze. Eine Tarnkappe, die das Buch als Bild, oder das Bild als Kleidung oder etwas anderes verbirgt?
Gleich am Eingang wartet Michael Growes bemaltes Objekt, das die Grenzen der Gattungen sprengt. Obwohl als reine Malerei lesbar, ist „Die Mühle der Abstraktion“gleichzeitig auch Skulptur und Mobiliar. Öffnet man alle vier Seiten, entsteht tatsächlich so etwas wie ein mühlenartiges Objekt und lässt gleichzeitig den Blick in sein Inneres zu. Sichtbar wird eine Reihe von Regalfächern, die zu füllen wären. Die vier Außenseiten sind farbig in der Form von imaginären Flaggen bemalt, die zu osteuropäischen oder afrikanischen Unrechtsstaaten passen würden. Unter dem Titel „Trojaner“arbeitet Growe schon seit langem an einer Werkreihe von Objekten, die in ganz ähnlicher Weise funktionieren.