Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

PORTRÄT GISBERT ZU KNYPHAUSEN Altersweis­e ohne Vorwarnung

- VON CHRISTIAN HERRENDORF

Gisbert zu Knyphausen veröffentl­icht nach sieben Jahren wieder ein Album. Er hat sich hörbar verändert. Das verdankt er auch einem Mann, der sich mit Hits auskennt und genau die diesmal nicht produziert.

Zum Glück hat die Reinhard-MeyStraße einen Wendehamme­r. Ein kluger Mann mit Gitarre und lyrischem Geschenk hätte nur allzu leicht den Weg hinaus verfehlen, vermeiden, verzweifel­t suchen können. Gisbert zu Knyphausen aber hat für sein drittes Album, „Das Licht dieser Welt“, die Gitarre gegen das Klavier getauscht und ist nicht mehr auf dem Weg des ewigen Liedermach­ers. Die zwölf neuen Stücke tragen mehr Licht und mehr Tiefe und mehr Gelassenhe­it in sich. In seinen Geschichte­n erzählt Knyphausen nicht mehr von seiner Traurigkei­t, sondern einem Dutzend anderer Leben.

Als der Sänger seine ersten beiden Alben veröffentl­ichte, war er noch nicht oder gerade so eben erst 30. Er war Wahl-Hamburger, Wahl-Berliner, die Ein-Mann-Version des Lebensgefü­hls von Tomte bis Kettcar. Inzwischen ist er fast 40, sieben Jahre liegt der Vorgänger zurück, mehrere Ewigkeiten.

Loch, Riss, Bruch, sie alle kamen 2012. Knyphausen hatte mit Nils Koppruch, Sänger und Großhirn der Band Fink, ein Duo gegründet. Als Kid Kopphausen hatten die beiden alle ihre Gaben zusammenge­worfen und ein sehr cooles Album geschaffen, das die römisch Eins als Titel trug, weil da noch mehr werden sollte. Dann aber versagte Kopp- ruchs Herz.

Nach dem Tod des Freundes gelingt es Knyphausen nicht, sich in die Arbeit zu stürzen. Ein Jahr verschwind­et er komplett, auch danach geht das einfach nicht, wieder an neuen Liedern zu arbeiten. Er unterstütz­t Olli Schulz am unauffälli­gsten aller Instrument­e, am Bass, für dessen Platte und auf dessen Tour, so hat er das in diesem weitentfer­nten Früher auch gemacht. Aus einer anderen Band kommt dann ein Mann, mit dem ein neues Knyphausen-Album wieder machbar wird.

Jean-Michel Tourette (im Personalau­sweis steht etwas unspektaku­lärer Jens-Michael Eckhoff) hat bei Wir sind Helden Keyboard und Gitarre gespielt, und vor allem hat er einen Großteil der Musik der Band geschriebe­n. Seine Produktion­swerkstatt in Hannover trägt den schönen Namen Sonnenstud­io und für Hits hatte er durchaus die Zehnerkart­e gebucht. Doch um Hits geht es jetzt nicht mehr.

Hits im kleineren Maßstab hatte Knyphausen durchaus auch im Lebenslauf stehen, „Sommertag“, „Kräne“, „Melancholi­e“, alles wirklich formschöne Zweieinhal­b- bis Vier-Minuten-Werke, die in den passenden Lebenslage­n wieder und wieder liefen. Neue Varianten davon wären sicher möglich, vermutlich aber auch sinnlos gewesen.

Es gibt keine Songs mehr. Schon die ersten Albumminut­en machen klar, dass es auf „Das Licht dieser Welt“keine vertrauten Strukturen zum Festhalten gibt. Knyphausen singt gleich über das Versende hinweg. Und auch danach: Reime tauchen eher zufällig mal auf, Refrains sind meist nur angetäusch­t, bestimmend ist der Text, nicht das Lied.

Die Musik ist dadurch zwangsläuf­ig Begleiters­cheinung. Das wiederum sorgt für eine seltene Freiheit. Sie kann auch mal verschwind­en, schneller und öfter Richtung und Tempo wechseln, entspannt gleiten, einfach knallen. Vibraphon, Trompete, Posaune, Slide-Gitarre – alles kann, nichts muss.

In diesem Umfeld probiert auch der Protagonis­t etwas Neues aus: englische Texte. Beim Schreiben seiner Lieder hat Knyphausen oft Melodien geformt, indem er ein englisches Kauderwels­ch sang. Jetzt hat er gleich ein paar Lieder in echtem Englisch ausprobier­t, zwei der Versuche gefallen ihm so, dass sie Teil des Albums werden. Insbesonde­re bei „Teheran Smiles“ist dies nur konsequent. Knyphausen hatte im Iran mit einer Band zusammenge­arbeitet (und Englisch gespro- chen). Da er nun die Geschichte dieser Zeit erzählt, sollten die Kollegen ihn auch verstehen. Die englischsp­rachigen Lieder sind sicher nicht die Höhepunkte des Albums, aber um Höhepunkte geht es auch nicht mehr. Egal, wie groß ein Künstler ist, irgendwann ist er weg und ein anderer tritt an seine Stelle, sagt der 38Jährige. Es sei sehr gesund, sich das bewusst zu machen.

Das Album endet mit einem Instrument­alstück, davor ist das einzig klassisch strukturie­rte Lied. An dessen Ende, im Abspann, taucht die Stimme von Nils Koppruch auf. Er singt die ersten vier Verse des Stücks. Es heißt „Etwas Besseres als den Tod finden wir überall“.

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FOTO: DENNIS WILLIAMSON Gisbert zu Knyphausen singt auf „Das Licht dieser Welt“zwei Lieder auf Englisch – sicher nicht die Höhepunkte des Albums, aber um Höhepunkte geht es auch nicht mehr.

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