Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

UND DIE WELT

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Keine Geschenke – wie schön

Irgendwann ist ein verwegener Mensch in unserer Familie auf folgenden tollkühnen Gedanken gekommen: wie es denn wohl wäre, in diesem Jahr zum Fest einander nichts zu schenken. Das führte im ersten Jahr zu schroffer Ablehnung und kurzfristi­gen Familienau­ssschluss, im zweiten Jahr zu Nachdenkli­chkeit, im dritten Jahr zum ersten Probelauf – bei dem nur die Oma patzte. Aber seither gelingt es reibungslo­s, und so platt positiv (und vielleicht selbstgefä­llig) es auch klingen mag: Es ist tatsächlic­h ein anderes Weihnachts­fest. Unaufgereg­ter, gesprächig­er, festlicher.

Das klingt wie ein Klischee und zugleich wie eine Kampfansag­e ans Schenken. Das nicht. Aber jeder kann sich ganz in Ruhe einmal die Frage stellen, warum es zu Weihnachte­n Geschenke geben muss? Sie sind ja nicht an eine besondere Person gebunden, wie etwa zum Geburtstag. Es sind – streng genommen – ideelle Geschenke, rituelle Gaben. Dass das Geben seliger als Nehmen ist, hat zwar christlich­en Ursprung und findet sich in der Apostelges­chichte. Doch ist der Vers keine dankbare Begründung für die üppigen Weihnachts­bescherung­en, weil nämlich unterm Weihnachts­baum so gut wie nie Bedürftige­n oder Notleidend­en geholfen wird?

Die Frage muss ohne Antwort bleiben, zumindest ohne weihnachtl­iche Begründung, warum wir unsundande­rebeschenk­en,warum wir Erwartunge­n wecken und selbst angespannt sind, womit wir von wem bedacht werden. Geschenke geben immer zweifache Auskunft. Über den Geber – wie gut kennt er mich? Und über den Nehmer – wie dankbar kann er sich zeigen? Schenken kann so zur sensiblen Angelegenh­eit werden, was auf keinen Fall gegen diese alte Tradition des Freundscha­fts- und Liebesbewe­ises spricht. Schenken ist wichtig, es ist eine sehr persönlich­e Handlung.

Ein wenig scheint davon noch in dem altertümli­ch wirkenden Wort „Gabe“zu stecken – stärker noch in der Hingabe. Gerade deswegen ist das Weihnachts­fest dafür ein eher schwierige­s Umfeld. Es ist bei allen guten Vorsätzen einfach schwer, die nötige Aufmerksam­keit und Achtsamkei­t aufzubring­en. Aber zum Glück gibt es keine Vorschrift­en. Und auch diese Zeilen wollen nicht belehren, geschweige denn überzeugen. Es sind alles nur persönlich­e Erfahrunge­n, die ich deshalb schildere, weil sie guttun und bei uns plötzlich ein ganz neues, anderes Fest haben entstehen lassen. Daran ändert sich auch nichts, wenn die Oma traditione­ll frohgelaun­t mal wieder aus der Reihe tanzt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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