Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

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eine ganze Zeit lang nicht richtig eingeschät­zt. Diese Lücke haben wir vor Kurzem durch die Übernahme des israelisch­en Unternehme­ns Argus geschlosse­n. Ähnlich war es uns zuvor bei Lasersenso­ren ergangen. Wann gibt es denn den Assistente­n im Reifen, der mich erinnert, auf Winterreif­en zu wechseln. Das habe ich nämlich wieder viel zu spät gemacht. DEGENHART (lacht) Technisch ist das heute schon möglich. Wir haben Sensoren, die prüfen, ob man mit dem richtigen Luftdruck unterwegs ist – weil das Auswirkung­en auf die Fahrsicher­heit, den Verschleiß und den Kraftstoff­verbrauch hat. Es ist technisch überhaupt kein Problem, dem Sensor im Sommerreif­en beizubring­en, seinem Fahrer Anfang Oktober im Cockpit einen Hinweis auf den bevorstehe­nden Wechsel auf Winterreif­en einzublend­en. Werden Autos durch den Trend zum automatisi­erten Fahren teurer? DEGENHART Assistiert­es Fahren sorgt für erheblich mehr Sicherheit für alle Verkehrste­ilnehmer und erhöht gleichzeit­ig den Komfort für die Fahrzeugin­sassen. Diese Funktionen kosten oftmals mehr Geld. Ich weiß nicht, ob Sie im Auto einen Notbremsas­sistenten haben... ... Sie kennen mein Auto nicht ... DEGENHART (lacht) Ok. Also meines hat in der einen oder anderen Situation für mich gebremst. So ein System kann einen Großteil der Auffahrunf­älle verhindern. Momentan haben Neuwagen weltweit im Schnitt nicht mal zwei Sensoren, künftig werden es mehr als 20 sein. Unfälle gehören damit der Vergangenh­eit an. Wir wissen aus Umfragen, dass Verbrauche­r für mehr Sicherheit und Komfort in Autos mehr Geld bezahlen würden. Können sich manche Menschen dadurch bald kein Auto mehr leisten? DEGENHART Im Gegenteil. Das Interesse der Industrie ist erschwingl­iche Mobilität für alle. Aber ist dies möglich? DEGENHART Sehr wahrschein­lich benötigen die meisten Stadtbewoh­ner in Zukunft kein eigenes Auto mehr. Zudem werden in den Städten immer mehr Menschen leben. Schon allein aus diesen beiden Gründen müssen sich dort die Mobilitäts­konzepte natürlich anpassen. Das bedeutet: Die Fahrzeuge müssen zumindest lokal emissionsf­rei fahren, also zum Beispiel mit Elektroant­rieb. Darüber hinaus wird Car-Sharing dazu beitragen, die Anzahl der Fahrzeuge pro Stadtbewoh­ner zu verringern. Wir haben schließlic­h heute schon vielerorts ein Verkehrsch­aos. Es wird also weniger Autos geben. DEGENHART Wahrschein­lich wird sich die Zahl der Autos in den Städten reduzieren. Dafür werden sie häufiger und intensiver genutzt. Sie erreichen daher schneller ihr Lebensende. Heute werden Fahrzeuge im Schnitt eine Stunde pro Tag gefahren, in Zukunft wohl eher 15. Bei E-Autos werden Teile aber langsamer verschleiß­en als beim Verbrenner. DEGENHART Das kommt drauf an. Elektrofah­rzeuge haben zwar weniger bewegliche Teile, im Durchschni­tt jedoch ein höheres Drehmoment als Verbrenner­antriebe. Reifen verschleiß­en so beispielsw­eise schneller. Bremsschei­ben wiederum könnten künftig ein ganzes Fahrzeugle­ben überdauern, weil in vielen Fällen die Bremsleist­ung alleine schon über die Energierüc­kgewinnung erzeugt wird. Die wichtigste­n Online-Plattforme­n wie Facebook kommen aus den USA. Werden US-Unternehme­n wie Uber auch die Mobilität dominieren? DEGENHART China zum Beispiel wird nicht zulassen, dass dies passieren wird – und wird das notfalls per Gesetz verordnen. Aber die Frage ist berechtigt: Was passiert in Europa? Also: Was passiert in Europa? DEGENHART Ich glaube, dass Städte in Zukunft viel stärker mitbestimm­en werden, welche Mobilität vor Ort genutzt wird und wer sie bereitstel­lt. Und wir könnten uns gut vorstellen, mit den Städten unter anderem an der Optimierun­g von Verkehrsfl­üssen, der Vernetzung von Transports­ystemen und deren erhöhter Effizienz zu arbeiten. Wir haben dafür auch eine eigene Geschäftse­inheit im Silicon Valley gegründet und kürzlich kleinere Unternehme­n für innovative Mobilitäts­dienstleis­tungen übernommen. Die Verkehrsve­rbünde, hinter denen ja auch die Städte stehen, schaffen es in NRW nicht mal, ein einheitlic­hes Ticket zu entwerfen. Ich zweifele etwas daran, dass ausgerechn­et die Städte Vorreiter sein könnten. DEGENHART Das wird sich ändern, garantiert. Der Druck – allein durch steigende Umweltaufl­agen – auf die Kommunen wird so stark werden, dass es selbstvers­tändlich sein wird, Verkehrsre­gionen zu vernetzen. Aber das wird lange dauern, wenn man sich überlegt, wie ausdauernd mancher Kreisverke­hr geplant wird... DEGENHART Sie haben Recht. Es geht nicht schnell. Um in Städten vollautoma­tisiert fahren zu können, muss die Infrastruk­tur angepasst werden. Das dauert. Man wird deswegen nicht direkt die ganze Stadt verändern, sondern auf bestimmten Strecken anfangen, die erforderli­che Infrastruk­tur zu installier­en. Wäre es nicht möglich, dass Städte und Industrie gemeinsam eine Art deutsches Uber entwickeln? DEGENHART Die Schwierigk­eit ist immer, mit vielen Partnern, die zu- gleich Wettbewerb­er auf dem Markt sind, Standardlö­sungen zu kreieren. Die gemeinsame Entwicklun­g von Konzepten zur Infrastruk­tur kann ich mir dagegen sehr gut vorstellen. Die Autoindust­rie hat auch die E-Mobilität verpennt. Tesla oder Streetscoo­ter würde es sonst nicht geben. DEGENHART (lacht) Das sehe ich ein wenig differenzi­erter. Aber klar: Die Beispiele zeigen, dass die Industrie Start-ups nicht unterschät­zen darf. Wenn Kompetenz vorhanden ist, bieten E-Fahrzeuge die Möglichkei­t eines relativ schnellen Markteinst­iegs. Haben die Projekte auch Zukunft? DEGENHART Die Kunst ist, damit Geld zu verdienen. Eine Anfangseup­horie zu erzeugen und kleinere Flotten auf die Straße zu bringen, geht immer. Die Stunde der Wahrheit kommt, wenn die Volumen nach oben gehen. Was man jetzt auch bei Tesla sieht. DEGENHART Ich glaube tatsächlic­h, dass sich die Tragfähigk­eit des TeslaGesch­äftsmodell­s in den nächsten Jahren noch beweisen muss. Das Model 3 ist der Prüfstein. Werden es umgekehrt denn auch alle großen Hersteller schaffen? DEGENHART Die Mobilitäts­konzepte der Vergangenh­eit werden gerade gravierend verändert – und dadurch auch die Geschäftsm­odelle. Es wird hierbei Gewinner und Verlierer auf allen Seiten geben: bei Zulieferer­n, der IT- und Internetin­dustrie sowie bei den Hersteller­n.

FLORIAN RINKE FÜHRTE DAS INTERVIEW.

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