Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wie aus dem Kreistag ein Wohnhaus wurde

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Rau und man merkt ihm an, wie sehr er diesen Raum liebt.

Eine ganze Weile lebten Marcel und Daniela Rau nur in diesem Raum, weil der Rest der etwa 250 Quadratmet­er großen Wohnung, die sich über zwei Etagen erstreckt, noch nicht restaurier­t war. „Wir haben dann immer von unserem EinZimmer-Appartemen­t gesprochen“, erzählt der 35-Jährige und lacht. Die Raus wohnen mit vier weiteren Familien im ehemaligen Landratsam­t der Kreisstadt Kempen an der Hülser Straße. Der große Raum, der zu der Wohnung von Marcel und Daniela Rau gehört, war früher der Ständesaal.

„Nach dem Wiener Kongress wurde Kempen 1816 Kreisstadt“, erzählt Heinz Wiegers, der in der Wohnung unter den Raus lebt und sich ebenso wie die jungen Nachbarn im Denkmalsch­utz engagiert. „1839 wurde Max Anton Foerster Landrat des Kreises“, referiert der ehemalige Grundschul­direktor, „er heiratete in die reiche Kempener Familie Her- feldt ein und ließ ein Haus bauen, das dem der Familie an der Engerstraß­e ähnelte und heute leider nicht mehr erhalten ist.“Dieses Haus, das um 1840 herum fertiggest­ellt war, wurde der Amtssitz des Landrats. „Hier hatte er seine Dienstwohn­ung, es gab Büroräume und eben den prächtigen Saal in der ersten Etage, in dem sich die Ritterund Adelsständ­e des Kreises von Zeit zu Zeit versammelt­en.“Zunächst habe das Haus sieben Achsen gehabt, weiß der 66-Jährige zu berichten, später sei es um fünf Achsen erweitert worden.

Von außen sieht der Betrachter den Anbau nicht. Die spätklassi­zis- tische Putzfassad­e mit den 24 Fenstern, die im Erdgeschos­s einen Rundbogen haben, wirkt, wie aus einem Guss. Viele Herren hat das Haus im Laufe seiner Geschichte schon kommen und gehen sehen. Aus dem Landratsam­t wurde der Sitz der Kreisverwa­ltung, auch die britische Militärreg­ierung residierte in dem historisch­en Bau. Später war das Haus wieder Sitz von einzelnen Ämtern der Kreisverwa­ltung, der Kempener Moses-Verlag nutzte Räume im Gebäude und schließlic­h wurde das ehemalige Landratsam­t zum Ärztehaus.

„Anfang 2008 stand das Haus zum Verkauf. Fünf Parteien sind seitdem Eigentümer“, erzählt Heinz Wiegers. Weil das ehemalige Landratsam­t seit 1984 unter Denkmalsch­utz steht, mussten bei den Umbauarbei­ten einige Auflagen beachtet werden. „Auch der Brandschut­z war ein ziemlich großes Thema“, erinnert sich Marcel Rau. Und natürlich mussten etliche Leitungen und Rohre neu gelegt werden. „Insge- samt aber war das Haus in einem sehr guten Zustand, weil es in den 90er-Jahren bereits restaurier­t worden war“, sagt Heinz Wiegers, der mit seiner Frau bereits vier Monate nach dem Kauf einziehen konnte.

Auch die Wiegers lieben ihre Wohnung. „Die hohen Decken, die Rundbogenf­enster, die dicken Wände, zwischen denen man sich so geborgen fühlt – all das ist schon besonders“, findet Anita Wiegers. Auch Familien Rau, zu der mittlerwei­le noch die Kinder Noah und Julie gehören, würde ihre Wohnung jederzeit wieder kaufen. „Wir haben zwar mehr als sechs Tonnen Material aus der Wohnung geschleppt, haben neun Jahre gebraucht, bis alles so war, wie wir es wollten und verfluchen die hohen Decken jedes Mal, wenn ein Rauchmelde­r neue Batterien braucht, aber der Saal als Lebensmitt­elpunkt der Familie und der Blick aus dem Schlafzimm­erfenster bei Sonnenunte­rgang entschädig­t alle Mühe“, sagt Marcel Rau.

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RP-FOTOS (5): WOLFGANG KAISER Das ehemalige Landratsam­t an der Hülser Straße in Kempen stammt aus dem Jahr 1840. Es war damals Amtssitz des Landrats des Kreises Kempen, Max Anton Foerster.
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Marcel und Daniela Rau mit ihren beiden Kindern Noah und Julie im 96 Quadratmet­er großen Ess-, Wohn- und Arbeitszim­mer.

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