Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Lufthansa wagt den Durchmarsch
Dass Lufthansa-Chef Carsten Spohr beim Ferienflieger Niki den Stecker zieht, bestätigt, dass er ein hart handelnder Vorstandschef ist: Es gibt keine weitere Winterhilfe für den angeschlagenen Ableger von Air Berlin, weil die EU die Übernahme durch den deutschen Marktführer und dessen Tochterfirma Eurowings sowieso stoppen will. Also soll Niki doch schnell in Insolvenz gehen, wir haben uns ja bereits die 21 AirbusJets gesichert, denkt sich Spohr.
Damit zeichnet sich ein Szenario wie bei großen Teilen von Air Berlin ab: Die rund 1000 Mitarbeiter verlieren ihren Arbeitsplatz, weil kein Geld mehr da ist. Lufthansa und Eurowings werden schnell alternative Jobangebote machen. Und obwohl bei einem Untergang einer Airline auch die Start- und Landerechte neu verteilt werden, kann Lufthansa damit leben. Mehr als die Hälfte der frei werdenden Slots werden an den deutschen Marktführer gehen, weil er bereits hohe Präsenz an allen Airports hat. Viele Tochterfirmen von Lufthansa werden sich um weitere Slots bewerben – am Ende könnte Lufthansa also Niki beerben, ohne den Kaufpreis zahlen zu müssen.
Die EU hat also möglicherweise nur ein Eigentor mit ihrer Blockade des Niki-Deals geschossen. BERICHT FERIENFLIEGER NIKI VOR DEM AUS, TITELSEITE
EFortgesetztes Versagen
in Jahr nach dem Terroranschlag auf dem Berliner Weihnachtsmarkt wird erneut ein geradezu unerträgliches Staatsversagen deutlich. Nicht nur hat der Staat den Anschlag trotz einer Vielzahl von Hinweisen auf den Attentäter Anis Amri nicht verhindert. Auch danach hat er viel zu wenig Mitgefühl, Hilfsbereitschaft und Respekt gegenüber den Opfern und ihren Familien gezeigt. Es kam zu empörenden Vorkommnissen. So wurden nach der Obduktion der Toten Rechnungen an Hinterbliebene verschickt. Tote wurden erst drei Tage später identifiziert, Angehörige blieben so quälend lange in Ungewissheit. Für einen reifen Rechtsstaat unbegreiflich.
Dass sich die Kanzlerin erst nächste Woche mit Hinterbliebenen trifft, ist ein spätes Eingeständnis der eigenen Fehler. Warum Merkel so lange untätig blieb, ist kaum zu erklären. Auch die staatliche Unterstützung von 10.000 Euro für nahe Angehörige entspricht nicht den höheren Standards in vergleichbaren Ländern wie Frankreich. Immerhin erhöht der Staat jetzt die Opferhilfen und schafft Anlaufstellen. Es ist höchste Zeit, dass der Staat reagiert. BERICHT
Unwürdiges Hickhack
Die Gewerkschaft IG Metall boykottiert ihre Teilnahme am NRW-Stahlgipfel der Landesregierung. Und FDP-Landeswirtschaftsminister Andreas Pinkwart kontert, indem er das Treffen nun seinerseits absagt und nur noch als Arbeitsgespräch verstanden wissen will. Ein unwürdiges Hickhack angesichts des drohenden Wegfalls mehrerer Tausend Industriearbeitsplätze in NordrheinWestfalen.
Wenn Thyssenkrupp und Siemens, General Electric und Goodrich Control Systems ihre Pläne wahr machen, fallen schon in Kürze über 3000 Stellen in der nordrhein-westfälischen Industrie weg. Das sollte für beide Parteien Grund genug sein, schnellstmöglich wieder miteinander, aber auch mit den Unternehmensführungen ins Gespräch zu kommen. Soll der Strukturwandel gelingen, ist Expertise von jeder Seite gefragt. Mit schädlicher Industriepolitik hat solch ein Austausch wenig zu tun. Gut, dass Gewerkschaft und Landesregierung sich trotz des Streits um den Stahlgipfel ein Hintertürchen für künftige Gespräche offenhalten. BERICHT TAUSENDE INDUSTRIEJOBS IN GEFAHR, TITELSEITE