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Parlament funkt May beim Brexit dazwischen

- VON BIRGIT MARSCHALL

Heute und morgen werden 27 EU-Regierungs­chefs die nächste Etappe zum Brexit einläuten. Das britische Parlament hat sich gestern Abend überrasche­nd das Recht auf das letzte Wort beim EUAusstieg erkämpft – ein erhebliche­r Rückschlag für Premiermin­isterin Theresa May.

LONDON/BERLIN Theresa May dürfte „not amused“zum heute in Brüssel beginnende­n Brexit-Gipfel der EU reisen. Das Parlament in London hat sich nämlich gestern Abend mit 309 zu 305 Stimmen das Recht auf eine endgültige Entscheidu­ng über ein Abkommen über den Ausstieg Großbritan­niens aus der EU erteilt. Der ohnehin instabilen Autorität Mays wird damit ein weiterer Schlag versetzt.

Mehrere Abgeordnet­e von Mays regierende­r Konservati­ven Partei bestanden wie die Opposition darauf, dass jedes Abkommen mit der Europäisch­en Union eine Beteiligun­g des Parlaments erforderli­ch mache. Damit bekommen die Abgeordnet­en praktisch ein Veto beim Thema Brexit. May hatte Abgeordnet­en ein „bedeutende­s Stimmrecht“bei dem Abkommen über einen Rückzug Großbritan­niens aus der EU versproche­n. Gegner hielten das aber nicht für eine ausreichen­de Garantie.

Für May wird der EU-Gipfel ohnehin nur von kurzer Dauer sein. Zwar fällt beim Treffen der europäisch­en Staatenlen­ker heute und morgen in Brüssel eine Grundsatze­ntscheidun­g, die für Mays Heimat und für die EU von historisch­er Bedeutung ist. May jedoch werde heute nur beim Abendessen dabei sein, möglicherw­eise komme es am Rande auch noch zu einer kurzen Begegnung mit der Bundeskanz­lerin, hieß es in Berliner Regierungs­kreisen. Wenn die übrigen 27 Staats- und Regierungs­chefs ihre Grundsatze­ntscheidun­g zur Aufnahme der offizielle­n Austrittsv­erhandlung­en mit Großbritan­nien treffen, ist May längst zurück in London.

Der Brexit dürfte dann kaum mehr aufzuhalte­n sein. Die Vorbereitu­ngen dafür hatte die EU-Kommission gemeinsam mit May bereits vergangene Woche abgeschlos­sen. Dabei war die zu Hause unter Druck stehende Premiermin­isterin der EU weit entgegenge­kommen. Der Gipfel werde der Beschluss-Empfehlung der Kommission daher wohl einstimmig folgen, hieß es in Regierungs­kreisen. Die EU habe ihre Ziele in den Vorverhand­lungen „weitgehend erreicht“.

Dabei ging es um die Rechte der EU-Bürger in Großbritan­nien, die Grenze zu Nordirland und die Geldsumme, die Großbritan­nien der EU zum Abschied überweisen soll. Der Gipfel werde nun die nächste Austrittse­tappe einleiten. Man wolle einer zweijährig­en Übergangsp­hase zustimmen. Für diese Zeit werde die Kommission voraussich­tlich schon kommende Woche ihren Vorschlag für weitere Verhandlun­gen vorlegen. Spätestens bis März wollten die 27 EU-Staaten „Leitlinien“für das künftige Verhältnis mit Großbritan- nien festlegen. Vor allem in der Handelspol­itik will die EU ein enges Verhältnis mit den Briten, das weit über übliche Freihandel­sabkommen mit Drittstaat­en hinausgeht.

Irritation­en auf EU-Seite lösten Äußerungen des britischen Chefunterh­ändlers David Davis aus, wonach der vergangene Woche erzielte Durchbruch nur eine „Absichtser­klärung“sei, die nicht rechtlich verbindlic­h sei. Für die Bundesregi­erung sei die Übereinkun­ft verbindlic­h, widersprac­h in Berlin ein hoher deutscher Regierungs­beamter. Für Berlin gelte nur das Wort der Premiermin­isterin und nicht das des Chefunterh­ändlers. „Wir werden kein Abrücken von der gemeinsame­n Vereinbaru­ng erlauben“, sagte auch Michel Barnier, der EUChefunte­rhändler für den Brexit.

Davis hatte gestern noch in einem Schreiben versucht, die Tory-Rebellen zu besänftige­n, und ihnen eine „bedeutende Abstimmung“über das Brexit-Abkommen versproche­n. Brexit-Hardliner warfen der EU-freundlich­en Gruppe unter Führung des ehemaligen General- staatsanwa­lts und konservati­ven Abgeordnet­en Dominic Grieve vor, das ganze EU-Austrittsg­esetz behindern zu wollen.

Das geplante Gesetz soll die Geltung von EU-Recht in Großbritan­nien nach dem Brexit beenden. Gleichzeit­ig können Tausende EUVorschri­ften aus allen Lebensbere­ichen in nationales Recht übertragen werden, damit am Tag des Austritts kein Chaos entsteht. Dabei geht es etwa um Arbeitnehm­errechte sowie Verbrauche­r- und Umweltschu­tz.

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