Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Europäisch­e Pflichtübu­ng in Wien

- VON MATTHIAS BEERMANN KANZLER KURZ UND SEIN UMSTRITTEN­ES . . ., SEITE A 5 VON GREGOR MAYNTZ IMMER WIEDER STIRBT ANNA IN SEINEN ARMEN, SEITE A 4 VON MAXIMILIAN PLÜCK

Zum Amtsantrit­t der neuen österreich­ischen Regierung gab es erst einmal die Pflichtübu­ng: Das Kabinett von Bundeskanz­ler Sebastian Kurz bekannte sich zu einem „proeuropäi­schen Kurs“. Das klingt gut, nur wird darunter heutzutage in der EU durchaus Unterschie­dliches verstanden. Dass der neue Bundeskanz­ler in Wien so manches ganz anders sieht als die Bundeskanz­lerin in Berlin, ist ja spätestens seit der Flüchtling­skrise kein Geheimnis mehr. Es wäre also keine Überraschu­ng, wenn sich Österreich künftig stärker nach Osten orientiere­n würde, wo Länder wie Ungarn, Polen oder Tschechien laut murren über die angebliche Bevormundu­ng durch Brüssel, Berlin und Paris.

Wenn es so kommt, könnte das auch zu einer Zerreißpro­be für eine mögliche neue große Koalition in Berlin werden – mit einer SPD, die die unter Beteiligun­g der rechtspopu­listischen FPÖ formierte Regierung in Wien als Inkarnatio­n des Bösen sieht, während die CSU über neue Verbündete jubelt. Möglicherw­eise täuschen sich beide. Unsere Nachbarn wollten bei der Wahl vor allem mit ihrem verkrustet­en politische­n System brechen – und nicht mit Europa. Messen wir die neue österreich­ische Koalition also an ihren Taten, nicht an unseren Erwartunge­n. BERICHT

Empathie-Versagen

Wie oft hatte die Regierung es bereits vor dem 19. Dezember 2016 gesagt, dass Deutschlan­d im Fadenkreuz des islamistis­chen Terrorismu­s stehe und ein Anschlag nicht ausgeschlo­ssen werden könne? Zehn Mal? Hundert Mal? Tausend Mal? Jedenfalls einmal zu wenig, um sich selbst in allen Aspekten darauf vorzuberei­ten, was dann zu tun sein würde. Ausgerechn­et die Opfer waren vergessen worden. Erst danach haben die Behörden die vielen Fehler analysiert. Erst nach einem Jahr hat sich der Bundestag für bessere Opferentsc­hädigung ausgesproc­hen. Und erst ein Jahr danach lädt die Kanzlerin die Opfer zum Gespräch.

Effizienz ist Merkels Ding. Handeln nach Analyse von Verantwort­lichkeiten. Trauerfeie­r besucht – abgehakt; Kontakt mit den Angehörige­n – Behördenau­fgabe; Gespräch mit den Opfern – vom Präsidente­n erledigt. Ihr Treffen mit den Opfern kam fast ein Jahr zu spät und erst nach einem bewegenden Brief der enttäuscht­en Angehörige­n von zwölf Todesopfer. Dem staatliche­n Behördenve­rsagen muss somit ein Empathie-Ausfall hinzugefüg­t werden. BERICHT

Gegen Steuerdump­ing

Nicht alles, was rechtens ist, ist auch richtig. Das gilt insbesonde­re für die Steuerverm­eidungspra­xis mancher Großkonzer­ne. Natürlich müssen deren Finanzabte­ilungen nach Mitteln suchen, um die Steuerlast für das Unternehme­n möglichst gering zu halten. Würden sie unnütz Geld zum Fenster hinauswerf­en, würden sie sich dem Vorwurf der Untreue aussetzen. Allerdings hat die Kreativitä­t, mit der zahlreiche Weltkonzer­ne die Steuerrege­lungen mancher EU-Staaten ausgenutzt haben, schon groteske Züge.

Es ist ein gutes Zeichen, das EU-Kommissari­n Vestager nun bei Ikea setzt. Sie scheut weder große Namen noch langwierig­e rechtliche Auseinande­rsetzungen, wenn es darum geht, für einen fairen Wettbewerb und ein gerechtes Steuersyst­em zu kämpfen. Vestager allein wird es aber nicht schaffen. Auch die Mitgliedss­taaten müssen endlich konsequent dagegen vorgehen, dass in ihren Reihen einige wenige meinen, sich auf Kosten anderer bereichern zu können. Ruinösem Steuerdump­ing sollte gemeinsam ein Riegel vorgeschob­en werden. BERICHT EU-KOMMISSION UNTERSUCHT IKEAS . . ., TITELSEITE

Newspapers in German

Newspapers from Germany