Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

REPUBLIK

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Der Überlebens­kampf der SPD

Was war das früher einfach in der Politik: Der Wähler hat einen Auftrag erteilt, die Politiker haben sich vor laufenden Kameras dafür bedankt und dann gemacht, was sie für richtig hielten. So läuft das heute nicht mehr. Die Danksagung­en an die Wähler, deren Entscheidu­ng selten aus tiefster Überzeugun­g fällt, sind bei den Sendeansta­lten schon länger verpönt. Doch meistens können die Moderatore­n gar nicht so schnell dazwischen­gehen, wie sie dann doch formuliert werden.

Union und SPD konnten sich dieses Mal nicht für Vertrauen bedanken – allenfalls für den Denkzettel. Was der Wähler den Parteien mit dem Ergebnis vom 24. September sagen wollte, ist drei Monate später an Weihnachte­n immer noch nicht klar. Klar ist nur: Je mehr Ratlosigke­it herrscht, desto größer ist die Wahrschein­lichkeit, dass Ostern die Suche nach originelle­n politische­n Konstellat­ionen eingestell­t wird und es doch eine große Koalition gibt. Nach dem Jamaika-Aus mag im Regierungs­viertel aber keiner mehr Wetten abschließe­n, dass Union und SPD zueinander­finden. Selbst Spitzenleu­te der CDU, die offensiv für die große Koalition wirbt, sagen, die Chancen stünden 50 zu 50. Fifty fifty – das war auch die Einschätzu­ng der Liberalen zum Zustandeko­mmen einer Jamaika-Koalition.

Während es für die Union eine untergeord­nete Rolle spielt, wer ihr dabei hilft, weiter die Kanzlerin zu stellen, ist es für die Sozialdemo­kraten sehr schwierig, gesichtswa­hrend in eine große Koalition zu kommen. Die Partei jedenfalls ist gespalten in ein No-Groko- und in ein Pro-Groko-Lager. Um niemanden zu verprellen, hat sich die SPD-Spitze auf eine Politik der kleinen Schritte verständig­t. Dabei greift sie durchaus auch zu Tricks, um den gruppendyn­amischen Prozess in den eigenen Reihen zu beeinfluss­en: Wenn man das Naheliegen­de gegen Widerständ­e durchsetze­n möchte, legt man zur Abschrecku­ng als Alternativ­e einen absurden Vorschlag auf den Tisch. Die Idee, in einem Kooperatio­nsmodell mit eigenen Ministern am Kabinettst­isch Regierung und Opposition zugleich zu spielen und das Ganze unter der niedlichen Abkürzung Koko laufen zu lassen, gehört in diese Kategorie. Solche Vorschläge sind dennoch mehr als politische Gedankensp­iele. Sie sind Teil des Überlebens­kampfs der SPD.

In Frankreich und in den Niederland­en sind die Sozialdemo­kraten in der Bedeutungs­losigkeit versunken, weil sie ihre alten Pfade nicht verlassen haben. Besser wäre es aber, sich inhaltlich und kommunikat­iv neu aufzustell­en, statt die Demokratie neu zu erfinden. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserer Autorin: kolumne@rheinische-post.de

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