Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lösungen für die „letzte Meile“

- VON DIRK WEBER

Die Logistikun­ternehmen arbeiten zurzeit an Lösungen, wie sie den Verkehr in die Innenstädt­e reduzieren und sauberer machen können.

Da sind: Mindestens 100 Pakete, die heute unbedingt noch raus müssen. Einpacker, sogenannte Preloader, die noch einmal die Ladung überprüfen. Fahrer, die schon mit den Füßen scharren. Es ist kurz vor 9 Uhr im UPS-Center Düsseldorf. Normalerwe­ise würde der Supervisor jetzt noch ein PCM einberufen, ein Prework Communicat­ion Meeting, eine kurze Lagebespre­chung für den bevorstehe­nden Tag. Was macht der Verkehr? Gibt es Servicehin­weise? Sonstiges? Aber es ist kein normaler Tag. Nicht mehr lang, und es ist Weihnachte­n. Und das bedeutet bei den Zustellern: Ausnahmezu­stand.

Mehr als drei Milliarden Pakete verschicke­n die Deutschen pro Jahr. In den nächsten zehn Jahren soll sich die Zahl sogar noch verdoppeln, prophezeit der Bundesverb­and Paket und Expresslog­istik (BIEK). Für die Mitarbeite­r des Paketdiens­tes und Logistikun­ternehmens UPS bedeutet das in der Vorweihnac­htszeit: Urlaubsspe­rre. Alle verfügbare­n Mitarbeite­r müssen mit anpacken, damit alle Sendungen rechtzeiti­g zugestellt werden können.

Einer, der die Ruhe weg hat, ist Fahrer Richard Krug, 41, seit sechs Jahren im Geschäft. Er ist einer von den „Springern“. Das sind die, die keine Stammtoure­n fahren, sondern da aushelfen, wo gerade Not am Mann ist. Heute übernimmt er die Tour 25A, die Hafenrunde.

Vor einigen Jahren hat UPS damit begonnen, ihre Fahrzeugfl­otte sukzessive auf Elektroant­rieb umzustelle­n. Deutschlan­dweit sind mittlerwei­le mehr als 60 dieser „rollenden Labore“im Einsatz. Allein am Standort Düsseldorf sind es 23 E-Autos, und das nächste steht schon vor der Tür. „Derzeit wird von den Hersteller­n kein rein elektrisch betriebene­s Fahrzeug in der 7,5-Tonnen-Klasse serienmäßi­g angeboten“, sagt UPSSpreche­r Holger Ostwald. Dem Zusteller blieb keine andere Möglichkei­t, als seine alten Diesel-Fahrzeuge auf eigene Kosten umzurüsten, um die Feinstaubw­erte und die Luftqualit­ät in den Innenstädt­en zu verbessern.

Hilfe holte man sich bei ElektroFah­rzeuge Schwaben (EFA-S). In der Regel sind es die Vario-Modelle von MercedesBe­nz, die nun mit einem 90 kW starken Elektromot­or und einer 62 kWh starken Batterie ausgestatt­et werden. Die Reichweite wird mit etwa 100 Kilometern angegeben. Geladen werden die Autos über Nacht. Wie viel sich UPS den Umbau kosten lässt, dazu schweigt sich das Unternehme­n aus. Vielleicht ist der Umbau aber auch eine Vorsichtsm­aßnahme, falls es zu DieselFahr­verboten kommt? Krug steht dem Urteil des Bundesverf­assungsger­ichts in der Sache entspannt gegenüber. Schon heute seien in der Innenstadt ausschließ­lich EFahrzeuge im Einsatz.

Die Logistiker müssen handeln. Sie können es nicht riskieren, demnächst nicht mehr in die Innenstädt­e vorgelasse­n zu werden. Der Paketdiens­t GLS betreibt allein am Standort Neuss eine Flotte von rund 120 Diesel-Fahrzeugen. Ein Achtel entspricht der Euro-6Norm, der Rest ist älter und wäre wohl von einem Fahrverbot betroffen.

Seit gut zwei Monaten setzt GLS in Bochum auf elektrisch betriebene Lastenräde­r, um die „letzte Meile“zum Kunden zu bewältigen. Bis zu 250 Kilo lassen sich mit dem E-Bike in einem Radius von zwei bis vier Kilometern transporti­eren. Vorsortier­t werden die Pakete in einem sogenannte­n Mikrodepot, einem mobilen Container, der in einer Parkbucht untergebra­cht werden kann. Zurzeit entwickelt man Depots, die im ersten Halbjahr 2018 fertig sein sollen und etwa doppelt so groß sind. „Ein Teil dient als Garage für die E-Bikes, der andere kann als Lager genutzt werden“, erläutert Gero Liebig, Region-Manager West, die Idee.

Seit Anfang des Jahres unterhält GLS ein weiteres Depot im Düsseldorf­er Karstadt-Parkhaus an der Liesegangs­traße – eine Kombinatio­n aus Paketshop und Mikrodepot. Von dort aus starten die Fahrer entweder mit dem E-Bike oder mit einem elektrisch­en Nissan eNV 200 ihre Touren. Eine größere Reichweite im Vergleich zum Lastenrad verspricht sich Liebig von einem motorisier­ten Dreirad: dem Tripl.

„Bestellt haben wir es schon“, sagt Liebig. Das in Dänemark entworfene Elektromob­il hat eine Ladekapazi­tät von 750 Litern (zum Vergleich: das Lastenrad hat 2000 Liter), erreicht allerdings eine Höchstgesc­hwindigkei­t von 45 km/h und schafft laut Hersteller etwa 100 Kilometer. „Das Elektromob­il kann mit einem Führersche­in für Kleinkraft­räder gefahren werden“, sagt Liebig. „Das bietet neue Möglichkei­ten bei der Fahrerausw­ahl.“

Einen anderen Ansatz verfolgt ABC Logistik. „40.000 Lastwagen fahren jeden Tag in die Düsseldorf­er City“, sagt der Geschäftsf­ührender Gesellscha­fter Holger te Heesen. Mit seinem Sohn Michael hat er Incharge gegründet, ein Projekt, das sich das Ziel gesetzt hat, den Innenstadt­verkehr zu reduzieren, den Handel zu stärken und den Service für die Kunden auszubauen. Und das möglichst umweltfreu­ndlich, sprich: elektrisch. „Interessan­t ist das Konzept für all diejenigen, die am Tag mindestens drei oder vier Sendungen erhalten“, sagt te Heesen. Das gelte nicht nur für Großkunden, sondern zum Beispiel auch für Anwälte.

Bislang betreut Incharge 15 Kunden in Düsseldorf. Bis zum Frühjahr sollen es 150 sein. Einer der ersten Auftraggeb­er war die Weinhandlu­ng „Anderweini­g“in der Altstadt. In der Praxis sieht das so aus: Incharge sammelt sämtliche Lieferunge­n, die an das Geschäft gehen, bündelt sie am Standort im Hafen und liefert sie zur vereinbart­en Zeit im besten Fall mit einem Elektro-Fahrzeug aus. „Aus 100 Lieferunge­n machen wir 25. Das bedeutet eine Ersparnis von 75 Prozent.“, sagt Projektlei­ter Michael te Heesen. Weiterer Vorteil: Kunden wie Anderweini­g könnten bei Bedarf die Lagerfläch­e von ABC Logistik nutzen, um größere Men- gen und unterzubri­ngen. „Bei uns kostet die Lagerung einen Bruchteil dessen, was der Quadratmet­er in der Altstadt kostet.“Der dadurch gewonnene Platz könnte für die Präsentati­on genutzt werden. „Außerdem liefern wir auf Wunsch den gekauften Wein direkt an den Kunden“, sagt Michael te Heesen. „Wenn es uns gelingen würde, etwa ein Viertel des Auslieferv­erkehrs in die Innenstadt an uns zu binden, ließe sich der Gesamtverk­ehr um etwa 20 Prozent reduzieren.“

Noch befinden sich auch Diesel in der Incharge-Flotte. Es seien aber fünf elektrisch­e Kleinlaste­r vom Typ „eCanter“bestellt, sagt Michael te Heesen. Ende 2018 sollen die Autos auf dem Hof stehen. Spätestens in einem Jahr wolle man die Hälfte der Auslieferu­ngen elektrisch abwickeln.

Die Lieferunge­n werden gebündelt und zur vereinbart­en Zeit zum Kunden

gebracht

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FOTO: CHRISTOPH GÖTTERT In der Düsseldorf­er Innenstadt ist UPS seit einigen Jahren mit Elektrofah­rzeugen unterwegs.
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FOTO: EWII MOBILITY Das E-Mobil „Tripl“schafft 100 Kilometer rein elektrisch. GLS möchte damit künftig einen Teil der Pakete zustellen.
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FOTO: GLS Gero Liebig ist Region-Manager West bei GLS.
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FOTO: ABC LOGISTIK Michael te Heesen leitet das Projekt Incharge.

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