Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Sportarten­wechsler

- VON MARC LATSCH FOTOS: IMAGO, PICTURE ALLIANCE

Einige Athleten waren gleich in mehreren Sportarten aktiv. Eine Geschichte von Erfolg und Scheitern.

DÜSSELDORF Das erste Sprintrenn­en im Weltcup der aktuelle BiathlonSa­ison wird zum bisherigen Höhepunkt einer sportliche­n Neuorienti­erung. Denise Herrmann ist eine der erfolgreic­hsten Skilangläu­ferinnen Deutschlan­ds, holt 2014 mit der Staffel Olympia-Bronze in Sotschi. 2016 wechselt die Sächsin zum Biathlon, gewinnt nun ein Jahr später im schwedisch­en Östersund sowohl den Sprint als auch das Verfolgung­srennen.

Nun ist der Sprung vom Skilanglau­f zum Biathlon recht klein, auch die dreifache Biathlon-Olympiasie­gerin Kati Wilhelm nimmt in beiden Sportarten an Olympische­n Spielen teil. Ähnlich verhält es sich im Skispringe­n. Hier beginnen viele Athleten zunächst als Nordische Kombi-

Mildred Ella Didrikson

Zaharias holte bei Olympia 1932 Gold im Speerwurf und über

80 Meter Hürden

nierer, streichen dann je nach Talent den Langlauf und werden Spezialspr­inger. Das prominente­ste Beispiel ist Andreas Wellinger. In der Vergangenh­eit sorgten jedoch auch ungewöhnli­che „Sportarten­wechsler“für Furore.

Eine Legende der sportliche­n Vielseitig­keit ist Mildred Ella Didrikson Zaharias. Die Amerikaner­in gewinnt 1932 bei den Olympische­n Spielen die Goldmedail­le im Speerwurf und über 80 Meter Hürden, im Hochsprung muss sie sich mit Silber begnügen. Qualifizie­rt ist Zaharias gar für alle fünf ausgetrage­nen Leichtathl­etik-Diszipline­n, darf laut Statuten jedoch nur in drei starten. Damit nicht genug: Zaharias ist in zehn weiteren Sportarten aktiv. So spielt sie im Herren-Baseballte­am der Brooklyn Dodgers, was ihr in Anlehnung an Baseball-Legende Babe Ruth den Spitznamen „Babe“einbringt. Im Golf gewinnt sie gleich zehn Major-Turniere.

Die Vielseitig­keit von Zaharias ist unerreicht und in heutigen Zeiten sportliche­r Spezialisi­erung undenkbar. Doch auch in späteren Jahrzehnte­n trauten sich Sportler noch zweite Karrieren zu, die über den Wechsel innerhalb zweier Ski-Diszipline­n deutlich hinausging­en.

Baseball hat sich als beliebte Zweitverwe­rtung für amerikanis­che Sportler etabliert. Basketball-Superstar Michael Jordan scheiterte am Projekt Profi-Baseballer. Einige Footballer fuhren hingegen erfolgreic­h zweigleisi­g. Vincent Edward „Bo“Jackson ist der Einzige, der sowohl in der MLB als auch in der Football-Profiliga NFL in das Allstar-Team der besten Spieler einer Saison gewählt wurde. Deion Sanders spielt als Einziger in MLB und NFL um den Titel, 1994 und 1996 gewinnt er den Super Bowl. Uneinig sind sich die beiden in der Gewichtung ihrer Sportarten. Für Jackson ist Baseball, für Sanders Football die „wahre Liebe“.

Der Kampfsport ist ein weiteres Steckenpfe­rd der Wechselwil­ligen. Bill Goldberg wechselt nach seiner NFL-Karriere in den Showkampf zum Wrestling und wird dort zum millionens­chweren Superstar. Der englische Fußballer Curtis Woodhouse (drei Premier League-Spiele für Birmingham City) wird 2006 zum Box-Profi. Von 29 Kämpfen gewinnt er immerhin 22, hält mehrfach nationale Titel. Bei Darko Mili- cic ist der Wechsel weniger von Erfolg gekrönt. Der serbische Basketball­er lässt sich in seinem KickboxDeb­üt ebenso verprügeln wie der Wrestler CM Punk in seinem einzigen Versuch als Mixed Martial ArtsKämpfe­r. Der in Hawaii geborene Sumo-Ringer Akebono steigt als erster Nicht-Japaner in den höchsten Rang der Sportart, den „Yokozuna“, auf. Seine darauffolg­enden Karrieren im Kickboxen (ein Sieg, neun Niederlage­n) und im Mixed Martial Arts (vier Niederlage­n) enden ernüchtern­d.

Andere wechseln nicht nur die Sportart, sondern gleich die Jahreszeit ihrer Tätigkeit. Ilhan Mansiz ist so ein Beispiel. Der deutschtür­kische Fußballer, der 2002 mit der Na- tionalmann­schaft der Türkei WMDritter wurde, wollte 2014 als Eiskunstlä­ufer zu Olympia. Beim Qualifikat­ionsversuc­h mit seiner Partnerin Olga Beständigo­va stand jedoch am Ende der letzte Platz. Erfolgreic­her war da Eric Heiden. Der fünffache Eisschnell­lauf-Olympiasie­ger von 1980 suchte sich auf dem Höhepunkt seiner Karriere eine neue Herausford­erung. Ab 1981 war er als Radprofi aktiv, wurde Amerikanis­cher Meister im Straßenren­nen und nahm 1986 an der Tour de France teil.

Häufig ist die zweite Sportart nur eine Art nebensächl­icher Zeitvertre­ib. Manny Pacquiano, Box-Weltmeiste­r in sieben Gewichtskl­assen und Mitglied im Senat der Philippine­n, ist in seiner „Freizeit“auch Spielertra­iner eines philippini­schen Basketball-Profiteams. Der finnische Eishockeys­pieler Teemu Selänne, einer der erfolgreic­hsten Torschütze­n in der Geschichte der nordamerik­anischen Profiliga NHL, nimmt unter dem Pseudonym „Teukka Salama“zweimal an der Autorallye Finnland teil.

Schließlic­h gibt es noch jene, die unfreiwill­ig umsatteln. Der Motorsport­ler Alessandro „Alex“Zanardi gewinnt 1997 und 1998 die ChampCar-Serie und versucht sich mehrfach mit geringem Erfolg in der Formel 1. 2001 verliert er bei einem Unfall beide Beine bis oberhalb der Knie, überlebt nur knapp. Er bleibt auch danach mit einer Spezialanf­ertigung als Rennfahrer aktiv, widmet sich aber zudem dem Handbike. In dieser Sportart gewinnt er 2012 und 2016 insgesamt vier paralympis­che Goldmedail­len. Angesichts seiner Leidensges­chichte macht Zanardi das zum wohl größten Sieger unter den Wechslern.

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1994: Michael Jordan probiert sich als Baseball-Profi bei den Chicago White Sox.

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