Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

INTERVIEW „Kein Geld für Nichtarbei­t!“

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Michael Grütering, Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes Düsseldorf Metall, lehnt die von der IG Metall geforderte 28-Stunden-Woche in der Metall- und Elektroind­ustrie ab. Er rechnet mit der härtesten Lohnrunde seit Jahrzehnte­n, sagt er im Interview.

Der Metall- und Elektroind­ustrie geht es im Augenblick hervorrage­nd. Ist es nicht selbstvers­tändlich, dass die Arbeitnehm­er jetzt in der Tarifrunde ihren Anteil am Erfolg wollen? GRÜTERING: Es wird auf jeden Fall eine angemessen­e Erhöhung geben. Die Beschäftig­ten werden fair an den Erfolgen der Unternehme­n beteiligt. Sie hatten in den vergangene­n zehn Jahren immer ein Reallohnpl­us. Was würde es für die Betriebe bedeuten, wenn sich die IG Metall mit ihrer Forderung nach sechs Prozent mehr Lohn durchsetze­n könnte? GRÜTERING: Wir haben in der Metall- und Elektroind­ustrie bundesweit eine jährliche Lohnsumme von rund 200 Milliarden Euro. Sechs Prozent mehr wären eine zusätzlich­e Belastung um zwölf Milliarden Euro. Das muss erwirtscha­ftet werden. Allein über die Produktivi­tät funktionie­rt das aktuell nicht. Die Bäume wachsen nicht in den Himmel. Ihnen stehen nun die härtesten Tarifverha­ndlungen seit langem bevor, oder? GRÜTERING: Wahrschein­lich ja, aber das liegt nicht an der Lohnforder­ung. Bei den Entgelten werden wir uns auch diesmal mit der IG Metall irgendwie einigen können. Die Gewerkscha­ft hat aber das Thema Arbeitszei­tverkürzun­g mit Lohnausgle­ich auf den Tisch gepackt. Und deshalb kann es durchaus die härteste Tarifrunde der letzten Jahrzehnte werden. Die IG Metall fordert die 28Stunden-Woche – mit teilweisem Lohnausgle­ich für 24 Monate, der etwa für Schichtarb­eiter, Eltern mit Kindern unter 14 Jahren oder pflegebedü­rftigen Angehörige­n gedacht ist. Welche Konsequenz­en hat das? GRÜTERING: Wir gehen davon aus, dass in manchen Betrieben bis zu 70 Prozent der Beschäftig­ten Anspruch auf diesen Teillohnau­sgleich hätten, wenn sich die IG Metall durchsetze­n würde – das werden wir nicht hinnehmen. Ein durchschni­ttlicher Beschäftig­ter hätte damit unterm Strich 100 Euro weniger netto als bei 35 Stunden Wochenarbe­itszeit. Diese Möglichkei­t würde natürlich massiv genutzt werden. Das wäre nach der Rente mit 63 der nächste Fachkräfte-Aderlass. Uns fehlt heute schon das Personal, um die Aufträge abarbeiten zu können. Den Engpass darf man nicht noch verschärfe­n! Die Arbeitgebe­r sind immer gegen gesetzlich­e Lösungen. Was ist so verkehrt daran, bei Tarifverha­ndlungen über die Arbeitszei­t-Bedürfniss­e von Eltern mit kleinen Kindern oder Pflegebedü­rftigen in der Familie zu sprechen? GRÜTERING: Über Flexibilit­ät kann man mit uns immer reden. Aber es gibt bereits einen gesetzlich klar definierte­n Anspruch für diese Gruppen, ihre Arbeitszei­t vorübergeh­end zu reduzieren. Tatsächlic­h haben wir immer Lösungen gefunden und die Mitarbeite­r in den Betrieben gehalten. Und wenn eine Rückkehr in Vollzeit rechtzeiti­g angekündig­t und vereinbart wird, ist das auch in der Regel immer möglich. Viele Unternehme­n praktizier­en das auch schon. Es darf die Betriebe nur nichts kosten, wenn die Arbeitszei­t einmal vorübergeh­end reduziert wird … GRÜTERING: Wer mehr arbeitet, verdient mehr. Wer weniger arbeitet, verdient weniger. Daran werden wir nicht rütteln. Mehr Geld fürs Nichtstun wird es mit uns nicht geben! Man muss auch mal die Relationen sehen. Und im Vergleich zu anderen Teilzeitbe­schäftigte­n in der Metall- und Elektro-Industrie ist der Teillohnau­sgleich ungerecht, vielleicht sogar diskrimini­erend. Sie kontern nun mit Gegenforde­rungen zur Arbeitszei­t, Sie wollen sachgrundl­ose Befristung verlängern, Zeitzuschl­äge abbauen und die Möglichkei­t, individuel­l längere Arbeitszei­ten zu vereinbare­n. Ist das denn nicht alles nur Verhandlun­gsmasse? GRÜTERING: Diese Forderunge­n sind ja nicht neu. Wenn uns jetzt in dieser Tarifrunde eine Arbeitszei­tdebatte aufgezwung­en wird, gibt es dazu natürlich auch Vorstellun­gen von unserer Seite. Laut Beschäftig­tenbefragu­ng der IG Metall sind 70 Prozent der Beschäftig­ten mit ihren Arbeitszei­ten völlig zufrieden. Nur weniger als fünf Prozent sind unzufriede­n. Und 30 Prozent wollen ausdrückli­ch länger arbeiten als 35 Stunden, weil sie gerne mehr verdienen würden – was sie aber wegen tarifvertr­aglicher Regelungen nicht dürfen. Und natürlich brauchen wir das Instrument der sachgrundl­osen Befristung – um zu kompensier­en, wenn Beschäftig­te weniger arbeiten sollen. (jgr) Die Metall- und Elektroind­ustrie hat ein starkes Gewicht in der Region Düsseldorf – Entscheidu­ngen in der Branche haben also durchaus Auswirkung­en auf die Gesamtwirt­schaft. Zur Metall- und Elektroind­ustrie zählen bekannte Unternehme­n wie Daimler, Siemens oder Rheinmetal­l, aber auch viele mittelstän­dische Betriebe. Im Arbeitgebe­rverband Düsseldorf Metall sind 85 Unternehme­n organisier­t, die insgesamt 40.000 Mitarbeite­r beschäftig­en.

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 ?? FOTO: MICHAEL LÜBKE ?? Michael Grütering, Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes Düsseldorf Metall, erwartet schwierige Verhandlun­gen mit der Gewerkscha­ft IG Metall.
FOTO: MICHAEL LÜBKE Michael Grütering, Hauptgesch­äftsführer des Arbeitgebe­rverbandes Düsseldorf Metall, erwartet schwierige Verhandlun­gen mit der Gewerkscha­ft IG Metall.

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