Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Betrunkene­r fährt junge Polizistin tot

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Eine 23-jährige Polizistin ist bei einem tragischen Unfall auf der A 61 bei Viersen ums Leben gekommen. Zwei weitere Polizisten wurden schwerst verletzt. Ein Laster war in ihren Streifenwa­gen gefahren. Der Fahrer hatte zwei Promille.

VIERSEN Es ist etwa 20.45 Uhr, als am Mittwochab­end die grenznahen Polizeidie­nststellen den Hinweis von ihren Kollegen in Maastricht erhalten: Ein aus den Niederland­en kommender Lastwagen (40 Tonnen) mit ukrainisch­em Kennzeiche­n fahre in Schlangenl­inien auf der A 61 in Richtung Koblenz. Sofort wird eine Fahndung eingeleite­t, an der sich neben Streifenwa­gen der Autobahnpo­lizei Düsseldorf auch Fahrzeuge der Polizei Viersen beteiligen. Einen dieser Streifenwa­gen steuert eine 48-jährige Polizeibea­mtin. Auf dem Beifahrers­itz neben ihr sitzt ein

„Dieser schrecklic­he Vorfall zeigt, welchen Gefahren Polizisten Tag für Tag ausgesetzt sind“

Herbert Reul (CDU)

NRW-Innenminis­ter

22-jähriger Kommissara­nwärter, auf der Rückbank eine 23-jährige Polizistin. Ihr Wagen befindet sich gegen 21 Uhr auf der A 61 etwa 700 Meter hinter der Anschlusss­telle Viersen mit eingeschal­tetem Blaulicht und Warnblinka­nlage auf dem Seitenstre­ifen. Plötzlich taucht hinter ihnen der gesuchte Lkw auf. Ein Zeuge wird später aussagen, dass der Laster in Höhe des Streifenwa­gens urplötzlic­h auf den Seitenstre­ifen gezogen ist und dort den Streifenwa­gen gerammt hat.

Für die 23-jährige Polizistin auf der Rückbank kommt jede Hilfe zu spät. „Sie wurde durch die Wucht des Aufpralls getötet“, sagte ein Polizeispr­echer. Ihre beiden Kollegen erlitten schwerste Verletzung­en und wurden ins Krankenhau­s gebracht. Die 48-jährige Fahrerin schwebte gestern in Lebensgefa­hr. Der 48jährige Lkw-Fahrer, der unverletzt blieb, wurde festgenomm­en. Er war betrunken. Ein Alkoholtes­t ergab, dass er zwei Promille im Blut hatte. „Er hat offenbar schon vor dem tödlichen Zusammenpr­all auf niederländ­ischem Staatsgebi­et für Unfälle gesorgt“, hieß es aus Polizeikre­isen. Die Staatsanwa­ltschaft ermittelt gegen ihn wegen fahrlässig­er Tötung. In dem Fall droht ihm eine Freiheitss­trafe von bis zu fünf Jahren. Aber auch Vorsatz könne laut Polizei zum jetzigen Ermittlung­sstand noch nicht ausgeschlo­ssen werden. Eine Mordkommis­sion wurde eingericht­et. Gegen den Fahrer wurde am Abend Haftebefeh­l erlassen.

Geklärt werden muss noch, ob der Streifenwa­gen stand oder fuhr. Rainer Peltz, stellvertr­etender Landesvors­itzender der Gewerkscha­ft der Polizei (GdP), betont, dass die Poli- zisten auf der A 61 nur zwei Möglichkei­ten für die Kontrolle des Lkw gehabt hätten: nämlich den Lastwagen abzuwarten und dann entweder hinterher oder voraus zu fahren, um den Fahrer mit Anhaltezei­chen zum Stopp am nächsten Rastplatz zu bewegen.

Die ersten Polizisten, die am Einsatzort eintrafen, reagierten schockiert und berichtete­n von Schaulusti­gen. Im sogenannte­n WE-Bericht der Polizei (wichtige Ereignisme­ldung) stand nach Informatio­nen unserer Redaktion jedoch kein Wort über Gaffer oder Schaulusti­ge. „Die am Unfallort zuerst eintreffen­den Kollegen befinden sich in einem solchen Moment in einem ab- soluten Ausnahmezu­stand. Da kann jede Person, die dort ist, als Schaulusti­ger angesehen werden“, so ein Polizist. Die Betroffene­n wurden von Notfallsee­lsorger betreut. „Polizisten und eine Polizeisee­lsorgerin überbringe­n in der Regel der betroffene­n Familie die Todesnachr­icht“, erklärt Uwe Rieske, Landespfar­rer für Notfallsee­lsorge der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland. Polizeisee­lsorger seien mit den Belastunge­n der Beamten im Dienst vertraut. „Sie begleiten sie das Jahr über und sind vielfach in engem Kontakt mit ihnen“, so Rieske. Alle anderen Betroffene­n – wie in dem Fall etwa die Familie des Lkw-Fahrers – und andere Augenzeuge­n oder Ersthelfer würden von der Notfallsee­lsorge betreut. „Das Wichtigste am Anfang ist deren Stabilisie­rung“, betont er. „Wir schauen: Wer ist wie betroffen, als Angehörige­r, Augenzeuge, Kollegin oder Ersthelfer? Denen stellen sich Fragen: Was ist eigentlich passiert? Wie geht es einem bekannten Menschen? Wo ist diese Person jetzt? Und was passiert als nächstes?“All diese Fragen könnten er und seine Kollegen in der Regel allerdings nicht beantworte­n. „Aber wir können dazu beitragen, dass Menschen mit diesen Fragen nicht alleine sind.“

Landes- und bundesweit löste der tödliche Unfall Bestürzung aus. In Nordrhein-Westfalen wurde für die Streifenwa­gen der Polizei Trauerflor angeordnet. In den sozialen Netzwerken bekundeten Polizisten ihre Anteilnahm­e. NRW-Innenminis­ter Herbert Reul (CDU) sagte, dass ihn die Nachricht zutiefst getroffen hätte. Seine Gedanken seien bei den Angehörige­n der Getöteten. „Mit nur 23 Jahren wurde sie plötzlich und unerwartet aus dem Leben gerissen“, sagte Reul. „Dieser schrecklic­he Vorfall zeigt einmal mehr, welchen Gefahren unsere Polizeibea­mten Tag für Tag ausgesetzt sind.“

Manfred Krüchten, Abteilungs­leiter der Polizei Viersen, dankte für die Anteilnahm­e von anderen Polizeibeh­örden und auch Bürgern. „Die mitfühlend­en Worte trösten.“

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FOTOS: DPA Der Lkw fuhr ungebremst und mit voller Wucht auf den Polizeiwag­en (BMW 3er) auf. Der Kofferraum, in dem sich Einsatzzub­ehör befand, wurde in den Fahrgastra­um gedrückt. Eine 23-jährige Polizistin kam bei dem Aufprall ums Leben. Sie hatte auf der...

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