Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Tausende stehen für Silvester-Knaller an

- VON SEBASTIAN DALKOWSKI

In einem Gewerbegeb­iet in Eitorf bei Siegburg gibt es einmal im Jahr extrem großen Andrang.

EITORF Im vergangene­n Jahr hatten sich Michael und seine Kumpel aus Unna viel zu spät angestellt. Um Mitternach­t, sechs Stunden vor Verkaufsbe­ginn. Als sie an der Reihe waren, war das, was sie haben wollten, schon ausverkauf­t. Eine schwere Enttäuschu­ng. In diesem Jahr brachten sie Planen mit und Holzlatten und einen Tisch, in dem ein Feuerkorb eingebaut war, und sie trafen 19 Stunden vor Verkaufsst­art am Mittwochvo­rmittag ein. Sie waren weit vorne, aber nicht die Ersten.

Im Gewerbegeb­iet von Eitorf, einem Städtchen südöstlich von Siegburg, veranstalt­et der Feuerwerks­hersteller Weco seit rund 15 Jahren vor Silvester einen Werksverka­uf – und Tausende Menschen stellen sich für ein Überraschu­ngspaket zum Preis von 50 Euro an, das Feuerwerk für den doppelten Wert enthält. Doch weil der Hersteller nicht mehr als ein paar Tausend packt, stellen sich die Leute immer früher an. Weco hat reagiert, Dixi-Toiletten aufgestell­t, Angestellt­e verteilen am frühen Morgen Kaffee und Glühwein. Mitarbeite­r der Bahn passen auf, dass niemand auf die nahen Schienen läuft.

Volker und Jörg aus dem Hunsrück hätten die Ersten sein können. Doch dann entschloss­en sie sich zu einer Raucherpau­se an der Autobahn. Und deshalb waren Meik und Andi ganz vorne am Gitter, zwei 21Jährige aus Troisdorf und Sinzig, Installate­ure in der Ausbildung. Um halb elf am Mittwochmo­rgen schlugen sie ihr Lager auf. Sie lernten schnell von Michael aus Unna und bauten mit Hilfe der Bauzäune links und rechts und einigen Planen einen Regenschut­z. Sie sollten ihn immer wieder brauchen. Sie hatten eine Feuerschüs­sel mitgebrach­t, Shisha. Sie hatten nicht die Absicht, zu verhungern oder zu erfrieren, und waren nicht die Einzigen.

Es gab Menschen, die brachten gleich einen Schwenkgri­ll mit, sie errichtete­n Pavillons, bauten Tablets zu Fernsehern aus, brachten Tische, Stühle, Sonnenschi­rme, Kartenspie­le und Bluetooth-Lautsprech­er mit, aus denen harter Rap und Techno schallte. Um 20 Uhr umfasste die Schlange schon mehrere Hundert Leute, sie fing an, sich über den Firmenpark­platz zu ziehen. Dort standen Autos mit Nummernsch­ildern aus Duisburg, Kleve, Düsseldorf, Moers, Geldern, Wuppertal, Krefeld, Gummersbac­h, Mainz, Dortmund und dem Hochsauerl­andkreis.

Immer wieder spielte sich folgende Szene mit nur leichten Variatione­n ab. Jemand sah von außen durchs Gitter auf die Spitzengru­ppe in der Schlange. Er fragte: „Wie lange seid ihr hier?“Die Antwort quittierte er mit einem „Ihr seid ja wahnsinnig.“Warum also?

Die einfachste Antwort wäre: Das Feuerwerk und das Geld, das man damit spart, macht es so phänomenal gut. Das ist bloß ein Teil der Antwort. Man muss sich diese Warteschla­nge unbedingt auch als einen Ort der Männlichke­it vorstellen. Das Feuer. Das Bier. Die Kapuzenpul­lis. Die Arbeitsjac­ken von Strauss. Das Fleisch. Der Rap. Es war aber trotzdem kein Ort der Rücksichts­losigkeit. Es war der Ort, an dem erwachsene Männer wieder ungestört Jungs sein konnten.

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FOTO: DPA Ein Kunde deckt sich bei Weco mit Feuerwerks­paketen ein.

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