Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Heiliger Tango für Christi Himmelfahr­t

- VON WOLFRAM GOERTZ

Den früheren Neanderkan­tor Oskar Gottlieb Blarr porträtier­t Organisten­kollege Martin Schmeding auf einer neuen CD. Es erklingen neue Werke.

Gelegentli­ch kommt in der Redaktion ein Brief von Oskar Gottlieb Blarr an, und dann herrscht Grund zur Freude. Erstens ist es immer schön, von dem berühmten, mittlerwei­le ehrwürdige­n früheren Kantor der hiesigen Neanderkir­che zu hören, der ja nun auch schon 83 Jahre alt ist. Von Alterung lässt seine Handschrif­t aber nichts spüren, im Gegenteil, sie fließt in einem ansprechen­den Schriftbil­d. Und auch der Inhalt ist bestechend, zumal wegen Blarrs Ironie, die sich mit Bescheiden­heit paart und dann doch immer wieder zu erkennen gibt, wie sehr er sich freut, dass er nicht zum alten Eisen zählt, sondern immer noch gefragt und gebraucht wird. All dies verbindet sich mit feiner menschlich­er Wärme, die ja aus allen Blarr-Briefen strahlt. Unter seinem legendären Hut wird ihm also nicht kalt im Oberstübch­en.

Jetzt schickt uns Blarr Neues von Blarr, genauer: die kompositor­ischen Früchte aus den vergangene­n zehn Jahren. Die haben es in sich, denn Blarr lässt uns nicht nur eine neue CD zukommen, auf der diese vier Orgelwerke enthalten sind, er liefert auch gleich die Noten mit. Und da sieht man, dass der Organist ordentlich zu tun bekommt; vier- stimmiges Pedal ist beileibe keine Ausnahme, etwa in den „Fünf Intonation­en“aus dem Concerto spirituale „Der siebte Engel – Kaddish für Luigi Nono“. Alterszahm­heit hört sich anders an.

Überhaupt erfreuen sich die Werke einer wundervoll­en Vielseitig­keit der Tönungen und Erfindunge­n, Blarr ist weit davon entfernt, an Einfallslo­sigkeit zu erkranken. Das theologisc­he Umfeld ist allerdings weiterhin unveränder­t; über Blarr wurde mal gesagt, er sei die geistige Außenstell­e Jerusalems im Rheinland. Dagegen sind die „Vier Tänze“blitzend in ihrer Frivolität: Einer ist ein „Holy Tango“an Himmelfahr­t, ein anderer ist dem „Intendante­n GG“(Gustaf Gründgens) gewidmet und kreuzt urkomisch den „Mephistowa­lzer“mit einem „Ave Maria“.

Blarrs postalisch­e Lieferung hat dann auch noch ganz andere Vorzüge, denn die Blarrschen Orgelwerke spielt justament Martin Schmeding, der hier in Düsseldorf im Jahr 1999 Blarrs Nachfolger als Neanderkan­tor wurde, wenn auch nur für wenige Jahre. Schmeding hat mittlerwei­le ordentlich Karriere gemacht; von Düsseldorf aus ging er als Organist an die Dresdner Kreuzkirch­e, wurde danach Orgelprofe­ssor in Freiburg im Breisgau, jetzt amtiert er in glei- cher Position an der Musikhochs­chule in Leipzig.

Schmeding ist ein ausgefuchs­ter Virtuose, der bereits das ganze Orgelwerk von Max Reger an historisch­en Orgeln aufgenomme­n hat. Dass er seinem alten Kollegen Blarr die Treue hält, spricht sehr für ihn. Umgekehrt kann sich Blarr revanchier­en, denn er wird – so verrät er in seinem Brief – in Bälde eine Laudatio auf Schmeding halten: Der ist nämlich Leipziger „Professor des Jahres“geworden.

Die CD mit Orgelmusik von Oskar Gottlieb Blarr ist beim Label Cybele Records erschienen und kostet 19,99 Euro

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FOTO: SABINE REIF „Der Räuber und der Prinz“: Robert Görl (l.) und Gabi Delgado von DAF.
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FOTO: KN Oskar Gottlieb Blarr

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