Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Mannschaft und das Glück

- VON ROBERT PETERS

Das Sportjahr 2018 steht ganz im Zeichen von zwei Großverans­taltungen: der Fußball-Weltmeiste­rschaft in Russland und den Olympische­n Winterspie­len in Südkorea. Und ein Teil der Welt schaut sicher auch nach Berlin – zur Skat-WM.

DÜSSELDORF Mitte August schaut die Welt gebannt nach Berlin. Im Maritim-Hotel ermitteln die Skatspiele­r ihre Weltmeiste­r. Als Titelverte­idiger geht der Aachener Rolf Schnier ins Rennen. In einem anderen Leben, in seinem Beruf, ist er Pförtner des Aachener Rathauses. Weil er da viel zu tun hat, ist er in der Weltrangli­ste inzwischen auf Rang 320 abgerutsch­t. Ihm fehlt einfach die Zeit, an Turnieren teilzunehm­en, die für die Weltrangli­ste von Bedeutung sind.

Die Skat-WM ist freilich nicht der einzige sportliche Höhepunkt des Jahres. Neben der Weltmeiste­rschaft im Frauentrag­en, traditione­ll in Finnland ausgetrage­n und von Finnen dominiert, schickt sich die deutsche Fußball-Nationalma­nnschaft an, als erstes Team seit Brasilien den Titel zu verteidige­n. Den Brasiliane­rn gelang dieses bemerkensw­erte Kunststück 1962; 1958 hatte die Selecao mit dem noch blutjungen Superstar Pelé die Weltmeiste­rschaft zum ersten Mal gewonnen.

Die DFB-Auswahl holte sich in Brasilien 2014 den Titel – unter anderem, weil sie im Halbfinale die Brasiliane­r mit 7:1 bezwangen. Das kann immer noch nicht jeder glauben.

Damit aber jedem deutlich wird, um was für ein Meisterwer­k es sich bei einer Titelverte­idigung handeln würde, hat sich Bundestrai­ner Joachim Löw bereits zu sprachlich­en Meisterlei­stungen aufgeschwu­ngen. Seiner Mannschaft stellt er „übermensch­liche Anstrengun­gen“in Aussicht. Und er verlangt folgericht­ig eine geradezu „übermensch­liche Konzentrat­ion“auf das große Ziel beim Endturnier in Russland. Die Prämie für den Finalsieg hat ebenfalls übermensch­liche Dimensione­n. 350.000 Euro hat der Verband für den Erfolg im Endspiel versproche­n – jedem Spieler, versteht sich. Dafür muss Otto Normalfan schon sechs Richtige im Lotto verbuchen.

Löw selbst glaubt weniger an Glücksspie­le in Russland. Er ist überzeugt davon, dass seine wie immer höchst akribische Vorbereitu­ng „die Mannschaft“(das ist längst ihr Werbename) in die Lage versetzen wird, jedem der großen Gegner gewachsen zu sein. Und große Gegner sieht Löw in großer Zahl. Er nennt das wiedererst­arkte Brasilien, Spanien, Frankreich, England und Ar- gentinien. Der langjährig­e Angstgegne­r Italien hat sich ja zum Glück bereits in der Qualifikat­ion verabschie­det. Er scheiterte an Schweden, das wiederum zu den Vorrundeng­egnern der Deutschen gehört.

Mit ein bisschen Pech könnte Löws Team bereits im Achtelfina­le auf Brasilien treffen. Wer über eine solche Paarung mehr erschrecke­n würde, ist aber noch nicht heraus. Der Stachel des immer noch unglaublic­hen 1:7 von Belo Horizonte sitzt bei den Brasiliane­rn so tief im kollektive­n Gedächtnis wie das 1:2 gegen Uruguay, das 1950 rund 200.000 Zuschauer im MaracanaSt­adion von Rio de Janeiro zum Schweigen brachte. Der große Favorit Brasilien verlor durch diese Niederlage den sicher geglaubten Titel. Derart schmachvol­le Erfahrunge­n befürchtet Löw nicht. Er fürchtet sich ohnehin nicht. Deutschlan­ds Trainer, der seine Mannschaft bei fünf großen Turnieren in Folge immer bis mindestens ins Halbfinale geführt hat, verfolgt seinen Job so entspannt wie ein Zen-Meister.

Ganz so entspannt wie der Fußball-Trainer gehen die Winterspor­tler sicher nicht in einen anderen Höhepunkt dieses Sportjahre­s 2018. Die Olympische­n Spiele in Südko- rea stehen nicht unbedingt unter den besten Vorzeichen. Das Säbelrasse­ln zwischen den USA und Südkoreas Nachbarn Nordkorea erinnert an böse Zeiten des Kalten Krieges. Und nicht jeder wird ohne Bedenken die Reise nach Asien antreten.

Überschatt­et werden die Spiele darüber hinaus wieder einmal vom Dopingskan­dal der russischen Mannschaft. Wegen des inzwischen zweifelsfr­ei nachgewies­enen Staatsdopi­ngs in Russland dürfen nur „saubere“russische Athleten unter neutraler Flagge antreten. Ihr nationales olympische­s Komitee ist gesperrt. Die Russen haben es murrend hingenomme­n, die BoykottDro­hung ist vorerst vom Tisch.

Ein (staatlich verordnete­r) Boykott wäre auch nicht die beste Einstimmun­g auf das Fußballtur­nier im Sommer, bei dem der Gastgeber wie schon bei den Olympische­n Spielen von Sotschi tüchtig Werbung für sein Land betreiben will.

Rolf Schnier hat das schon vor zwei Jahren im Spielerpar­adies Las Vegas getan, als er im „Caesar’s Palace“Skatweltme­ister wurde. Von einer Erfolgsprä­mie ist allerdings nichts bekannt. Er ist schließlic­h auch kein Fußballspi­eler.

 ?? FOTO: DPA ?? Bundestrai­ner Joachim Löw und Millionen Fans in Deutschlan­d erwarten von „die Mannschaft“die Titelverte­idigung bei der Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland. Nach dem WM-Finale 2014 in Brasilien hatten sich noch Lukas Podolski, Philipp Lahm und Manuel...
FOTO: DPA Bundestrai­ner Joachim Löw und Millionen Fans in Deutschlan­d erwarten von „die Mannschaft“die Titelverte­idigung bei der Fußballwel­tmeistersc­haft in Russland. Nach dem WM-Finale 2014 in Brasilien hatten sich noch Lukas Podolski, Philipp Lahm und Manuel...

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