Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Das Kreuz mit der Politik

- VON LOTHAR SCHRÖDER

DÜSSELDORF „Alles, was geschieht, geht dich an.“Das ist ein berühmter Vers von Günter Eich, der deshalb bis heute nicht vergessen ist, weil er immer wieder der Klärung bedarf. Niemand wird bestreiten, wie moralisch richtig dieses Diktum ist. Und doch wissen wir alle, wie heillos überforder­t wir wären, würden wir die Worte tatsächlic­h beherzigen. Dieser Zwiespalt ist nicht aus der Welt zu schaffen. Wie moralisch können und wie moralisch müssen wir eigentlich sein? Die Frage wird in diesen Tagen im Disput zwischen Staat und Kirche erneut ausgetrage­n. Während die einen – also die

Die neue Debatte ist keine Fortsetzun­g bisheriger Justierung­sversuche zwischen

Staat und Kirche

Politiker – zunehmend genervt die Frage stellen, wie politisch kirchliche Vertreter hierzuland­e sein dürfen, befragen sich die anderen, wie politisch sie gemäß dem Evangelium sein müssen.

Das Thema ist an sich nicht neu, und in unterschie­dlich brisanten Situatione­n gab es darauf unterschie­dliche Antworten. Fast zur Zerreißpro­be wurde für beide Kirchen die Frage nach der Verkündigu­ng unterm Hakenkreuz. Was tun gegen die Nazis und deren Menschenve­rachtung? Papst Pius XI. geißelte zwar in seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“die schreiende Ungerechti­gkeit der Nazis. Und Reichsprop­aganda-Chef Joseph Goebbels nannte das Schreiben eine „VatikanFre­chheit“. Doch es blieb bei diesem Strohfeuer. Mutiger christlich­er Widerstand wurde fortan die Sache Einzelner; einer von ihnen war der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen. Auch innerhalb der evangelisc­hen Kirche tobte der erbitterte Kampf der Haltungen – zwischen Pfarrern der kritischen Bekennende­n Kirche und der staatstreu­en Bewegung der sogenannte­n Deutschen Christen.

Beide Kirchen sind durch die Zeit des Nationalso­zialismus andere geworden. Nicht viel politische­r zunächst, aber doch wachsamer. Anlässe zur profanen Einmischun­g ka- men von selbst. Ohne beide christlich­e Kirchen wäre die Friedensbe­wegung mit Sicherheit nicht so wirkungsvo­ll und für manche auch glaubwürdi­g gewesen. Andere Themen aus jüngerer Vergangenh­eit, mit denen sich die Kirchen aufs politische Parkett wagten: die Abtreibung, Ehe für alle und Sterbehilf­e, Klima und Umweltvers­chmutzung, Präimplant­ationsdiag­nostik. Die Zwischenru­fe schienen so etwas wie der moralische Begleitsou­nd zu heiklen Fragen zu sein.

Die jetzige Debatte, an der sich in kurzen Abständen Kardinäle und Bundespoli­tiker, Pfarrer und Moderatore­n zu Wort meldeten, ist aber keine Fortsetzun­g bisheriger Justierung­sversuche zwischen Staat und Kirche. Das wird schon am forschen Auftreten der Politiker erkennbar, die ein feines Gespür für Konkurrenz bei relevanten Fragen haben. Auch darum haben sie früh gesehen, dass es hierzuland­e eine neue Politisier­ung der Kirchen gibt.

Dabei ist zunächst nicht so wichtig, ob es den politische­n Entschei-

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