Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Das Kreuz mit der Politik
DÜSSELDORF „Alles, was geschieht, geht dich an.“Das ist ein berühmter Vers von Günter Eich, der deshalb bis heute nicht vergessen ist, weil er immer wieder der Klärung bedarf. Niemand wird bestreiten, wie moralisch richtig dieses Diktum ist. Und doch wissen wir alle, wie heillos überfordert wir wären, würden wir die Worte tatsächlich beherzigen. Dieser Zwiespalt ist nicht aus der Welt zu schaffen. Wie moralisch können und wie moralisch müssen wir eigentlich sein? Die Frage wird in diesen Tagen im Disput zwischen Staat und Kirche erneut ausgetragen. Während die einen – also die
Die neue Debatte ist keine Fortsetzung bisheriger Justierungsversuche zwischen
Staat und Kirche
Politiker – zunehmend genervt die Frage stellen, wie politisch kirchliche Vertreter hierzulande sein dürfen, befragen sich die anderen, wie politisch sie gemäß dem Evangelium sein müssen.
Das Thema ist an sich nicht neu, und in unterschiedlich brisanten Situationen gab es darauf unterschiedliche Antworten. Fast zur Zerreißprobe wurde für beide Kirchen die Frage nach der Verkündigung unterm Hakenkreuz. Was tun gegen die Nazis und deren Menschenverachtung? Papst Pius XI. geißelte zwar in seiner Enzyklika „Mit brennender Sorge“die schreiende Ungerechtigkeit der Nazis. Und Reichspropaganda-Chef Joseph Goebbels nannte das Schreiben eine „VatikanFrechheit“. Doch es blieb bei diesem Strohfeuer. Mutiger christlicher Widerstand wurde fortan die Sache Einzelner; einer von ihnen war der Bischof von Münster, Clemens August Graf von Galen. Auch innerhalb der evangelischen Kirche tobte der erbitterte Kampf der Haltungen – zwischen Pfarrern der kritischen Bekennenden Kirche und der staatstreuen Bewegung der sogenannten Deutschen Christen.
Beide Kirchen sind durch die Zeit des Nationalsozialismus andere geworden. Nicht viel politischer zunächst, aber doch wachsamer. Anlässe zur profanen Einmischung ka- men von selbst. Ohne beide christliche Kirchen wäre die Friedensbewegung mit Sicherheit nicht so wirkungsvoll und für manche auch glaubwürdig gewesen. Andere Themen aus jüngerer Vergangenheit, mit denen sich die Kirchen aufs politische Parkett wagten: die Abtreibung, Ehe für alle und Sterbehilfe, Klima und Umweltverschmutzung, Präimplantationsdiagnostik. Die Zwischenrufe schienen so etwas wie der moralische Begleitsound zu heiklen Fragen zu sein.
Die jetzige Debatte, an der sich in kurzen Abständen Kardinäle und Bundespolitiker, Pfarrer und Moderatoren zu Wort meldeten, ist aber keine Fortsetzung bisheriger Justierungsversuche zwischen Staat und Kirche. Das wird schon am forschen Auftreten der Politiker erkennbar, die ein feines Gespür für Konkurrenz bei relevanten Fragen haben. Auch darum haben sie früh gesehen, dass es hierzulande eine neue Politisierung der Kirchen gibt.
Dabei ist zunächst nicht so wichtig, ob es den politischen Entschei-