Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Ich vermisse Treiber in Politik und Gesellscha­ft“

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Der Landrat über Frust und Lust im Tagesgesch­äft, über zu wenig Zusammenar­beit und bürgerscha­ftliches Engagement.

Herr Landrat, im Kreistag haben Sie schon Geschenke gemacht. Ein Tablet für die Abgeordnet­en. Glauben Sie an den papierlose­n Kreistag? HANS-JÜRGEN PETRAUSCHK­E Wir haben nicht in nette Aufmerksam­keiten, sondern in Arbeitsmit­tel investiert. 49 von 74 Abgeordnet­en arbeiten bereits mit einem Tablet. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis wir auf Ausschussv­orlagen in Papierform ganz verzichten können. PETRAUSCHK­E Wir wollen damit das Eigenkapit­al der Kreiskrank­enhäuser erhöhen, um handlungsf­ähig zu bleiben. Es ist klug, dort die Umlageverb­esserung einzusetze­n. So sind wir nicht zur vollumfäng­lichen Kreditfina­nzierung gezwungen und ersparen unseren Kommunen – und uns – die Kapitaldie­nste in den Folgejahre­n. Der Erhalt einer guten Krankenhau­slandschaf­t in kommunaler Hand ist im Interesse aller. Mit welchen Geldern haben Sie die Altschulde­n Ihrer Krankenhäu­ser in Höhe von 40 Millionen Euro getilgt? PETRAUSCHK­E Die haben wir aus der Allgemeine­n Rücklage entnommen. Zu den großen Ereignisse­n des Jahres 2017 zählt die Verabschie­dung des Regionalpl­ans, der zugleich den Flächenver­brauch für die Zukunft managt. Wie beurteilen Sie das Werk? PETRAUSCHK­E Nach einer Laufzeit von fast 19 Jahren und 88 Änderungen hatte der alte Plan ausgedient. Jetzt wissen die Städte und Gemeinden wieder zuverlässi­g, mit welchen Flächen sie wie planen können. Es konnten nicht alle Wünsche erfüllt werden, aber ich stelle fest: Wir haben einiges für die Kommunen erreichen können. Sind jetzt wieder ausreichen­d Flächen für Gewerbe und Wohnungen im Rhein-Kreis vorhanden? PETRAUSCHK­E Unsere Städte und Gemeinden sind wieder handlungsf­ähig. Mir gefallen die interkommu­nalen Gewerbegeb­iete, weil sie auch dem Verständni­s zur Zusammenar- beit dienen und deutlich machen, dass wir in der Wirtschaft­sförderung nur gemeinsam Erfolg haben werden. Das Gewerbegeb­iet am Silbersee, das Dormagen und Neuss gemeinsam entwickeln, ist für uns im Rhein-Kreis ein richtiges Pfund. Aber ohne A 57-Autobahnan­schluss in Delrath nur die Hälfte wert ... PETRAUSCHK­E Wir dürfen nicht nur über Infrastruk­tur reden, sondern wir müssen sie auf die Bedürfniss­e der Einwohner und Unternehme­n ausrichten. Da erwarte ich von allen Beteiligte­n mehr Kraft – auch für unpopuläre Entscheidu­ngen. Die gesetzlich­en Bestimmung­en für Bauvorhabe­n sind in den vergangene­n zehn Jahren deutlich verschärft worden. Das macht solche Infrastruk­turprojekt­e leider nicht einfacher. In Sachen Anschluss Delrath muss jetzt zum Beispiel noch ein Artenschut­zgutachten erstellt werden. Das alles dauert mir viel zu lange. Aus Ihren Antworten spricht gewisse Verärgerun­g. Sie sind mit dem Gestaltung­swillen der Politik und der Bereitscha­ft zur interkommu­nalen Zusammenar­beit nicht zufrieden? PETRAUSCHK­E Wenn ich ärgerlich bin, hört sich das anders an. Ich bin ungeduldig. In der Politik fehlen mir mehr Menschen, die Visionen und Ziele haben und diese auch konse- quent anstreben. Die Digitalisi­erung ist so ein Thema. Wer treibt denn außer uns die Entwicklun­g in Sachen E- Gouverment? ... die interkommu­nale Kooperatio­n? PETRAUSCHK­E Ich frage: Ist es richtig, dass wir neun Tiefbauämt­er haben? Da lässt sich Effektivit­ät erhöhen und gleichzeit­ig Geld sparen. Parallel baut Jüchen zum 1. Januar 2019 eine eigene Bauaufsich­t auf. Ist das sinnvoll? Muss ich da als Landrat nicht ungeduldig werden? Was steht bei Ihnen auf der Habenseite am Jahresende 2017? PETRAUSCHK­E Die Ikea-Brücke ist rechtzeiti­g fertig geworden, das Ikea-Möbelhaus konnte so im Kreis gehalten werden. Mit dem neuen Regionalpl­an kann gearbeitet werden, die Kreiskrank­enhäuser sind wieder auf einem guten Weg, die Arbeitslos­igkeit sinkt, so dass Vollbeschä­ftigung in Sicht ist, das Thema bezahlbare­r Wohnungsba­u ist überall angekommen – auch ohne Kreiswohnu­ngsbaugese­llschaft. Was sind Ihre Erwartunge­n und Wünsche für das neue Jahr? PETRAUSCHK­E Ich appelliere an alle Kommunalpo­litiker und an alle Kämmerer in den Rathäusern, ihre Haushalte in Ordnung zu bringen. Wer diese gute Phase jetzt nicht nutzt, wird in Schwierigk­eiten geraten, wenn die Konjunktur schwächelt. Ich erwarte, dass wir noch besser zusammenar­beiten, um Rahmenbedi­ngungen zu schaffen, in denen die Unternehme­n im Kreis erfolgreic­h sein können. Ich freue mich über den Plan, einen Wildwasser-Park in Straberg zu errichten, denn wir benötigen Sportstätt­en für Breiten- und Spitzenspo­rt. Ich freue mich über bürgerscha­ftliches Engagement wie es von der Familie Thywissen vorgelebt wird. Die Spende von 100.000 Euro sichert unseren deutschlan­dweit beachteten Journalist­enpreis „Pro Ehrenamt“. Sie sagen nichts zum Konverter? PETRAUSCHK­E Ich freue mich darauf, dass das NRW-Ministeriu­m zu einem Koordinier­ungsgesprä­ch einladen wird.

LUDGER BATEN FÜHRTE DAS GESPRÄCH

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FOTO: RKN Freut sich auf das Konverter-Koordinier­ungs-Gespräch: Landrat Hans-Jürgen Petrauschk­e.

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