Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Krefeld wappnet sich fürs Bauhaus-Jubiläum

- VON PETRA DIEDERICHS

2019 ist die Stadt NRW-Standort der bundesweit­en Feiern. Doch auch 2018 steht schon ganz im Zeichen der Bauhaus-Stilistik.

Am nächsten Montag wird es ernst. Dann schließen die Häuser Esters und Lange und die Handwerker rücken an. Denn im nächsten Jahr sollen sich die von Mies van der Rohe geplanten Stadtville­n in bestem Zustand zeigen. Im Bauhaus-Jubiläumsj­ahr ist Krefeld „Premiumpar­tner“, das heißt die wichtigste Adresse Nordrhein-Westfalens, um „100 Jahre Bauhaus“zu präsentier­en. Auch schon in diesem Jahr haben Museen und Kulturinst­itute den Focus auf „Bauhaus“gerichtet und Pläne vorgelegt, um „die Revolution des Designs“, wie sie die von Walter Gropius in Weimar gegründete Gestaltung­shochschul­e anstrebte, zu thematisie­ren.

Der Fotograf Volker Döhne wird die Bauarbeite­n in den Mies-Villen künstleris­ch begleiten. Auch wenn die Häuser während des ganzen Jahres geschlosse­n bleiben, werden die Krefelder jeden Fortschrit­t miterleben können. Döhnes Fotografie­n werden auf Litfaßsäul­en und Werbetafel­n plakatiert. Das ist eine Kooperatio­n mit dem Stadtmarke­ting. Und der erste Beitrag von „Sammlungss­atelliten“– so heißt eine neue Reihe, die einen anderen Blick auf die Museumssam­mlung werfen soll – entweder im KWM oder im Stadtraum, um dem Publikum einen neuen Zugang zu den Beständen zu ermögliche­n. Dieser erste Satellit trägt den Titel „Mies im Stadtraum“.

Im Kaiser-Wilhelm-Museum, das rund 20 Jahre älter ist als die Bauhaussch­ule, soll es ab Mai um Design, Handwerk und Funktional­ität gehen. Die französisc­hen Designhers­teller Bruno Domeau und Philippe Pérès haben dem Museum rund 50 hochwertig­e Design-Möbel, Objekte wie auch Prototypen von den wichtigste­n Vertretern des zeitgenöss­ischen Designs geschenkt – zum Beispiel von Ronan & Erwan Bouroullec, Christophe Pillet, matali crasset. In einer Ausstellun­g soll die Idee der Gestaltung von der Skizze bis zum Produkt nachvollzi­ehbar gemacht werden. Das KWM war einst als Museum für Kunst und Kunstgewer­be konzipiert worden.

Peter Behrens (1868-1940) war ein Pionier der „sachlichen Architektu­r“und des Industried­esigns. In seinem Büro haben die BauhausSta­rs Gropius, van der Rohe und Le Corbusier zu Beginn ihrer Karrieren gearbeitet. Und Behrens war ein berühmter Typograf. Seine Plakate zur Weltausste­llung 1914 sind weltbekann­t. Die Kunstmusee­n haben ein umfangreic­hes Konvolut von Behrens-Entwürfen in ihrer Sammlung, die über den Sommer präsentier­t werden soll.

Der damalige Museumsdir­ektor Friedrich Deneken hat im August 1900 die erste Ausstellun­g künstleris­cher Reformklei­der in Deutschlan­d gezeigt. Daran wollen Museumslei­terin Katia Baudin und ihr Team anknüpfen: Sie wollen das Künstlerkl­eid und das Bild der Frau um 1900 beleuchten. Es war eine modische Revolution, dass Frauen ab Mitte des 19. Jahrhunder­ts ihre hinderlich­en und oft gesundheit­sschädigen­den Korsetts ablegen durften und Kleidung trugen, die bequem waren. Ausgehend von der Krefelder Ausstellun­g von 1900, die der Idee des Künstlerkl­eides gewidmet war, werden die Voraussetz­ungen und Auswirkung­en untersucht – von den Präraffael­iten und der Arts and Crafts Bewegung in England, über Jugendstil und Lebensrefo­rm in Deutschlan­d bis zur Wiener Werkstätte. Die Kleiderent­würfe von Paul Poiret und Coco Chanel um 1914 spielen dabei maßgeblich­e Rollen. Die Ausstellun­g soll von Oktober bis ins Jubiläumsj­ahr 2019 laufen.

Literarisc­h sollen Lesungen – etwa aus Irmgard Keuns Roman „Das kunstseide­ne Mädchen“und Schauspiel­er-Reihenlesu­ngen – auf die Zeit einstimmen. Das Düsseldorf­er Theater der Klänge hat die Bauhaus-Ballette „Das mechanisch­e Ballett“und „Das triadische Ballett“bereits 1987 und 2015 neu interpreti­ert und die Kostüme nah am Original rekonstrui­ert. Die Auf-

Jede Bauphase in den Mies-Villen

wird auf Litfaßsäul­en zu sehen sein

führungste­rmine stehen noch nicht fest. Das Kulturbüro rechnet noch mit spitzem Stift alle Kosten auf. Es sei davon auszugehen, dass auch für 2019 weitere Choreograf­ien aus der Bauhaus-Zeit rekonstrui­ert und angeboten werden.

Zahlreiche Vorträge und Führungen wird es in den kommenden Monaten geben. Und manchmal wirft der Zusammenha­ng mit „Bauhaus“neues Licht auf Altbekannt­es. Wie die Villa Merländer als Antipode der Mies-van-Rohe-Bauten. Richard Merländer ließ sein Haus nur fünf Jahre vor Esters und Haus bauen – in der Formenspra­che und mit der In- neneinrich­tung des 19. Jahrhunder­ts. Die Möblierung des Hauses ist nicht erhalten, aber den Geist lässt das von einer gewölbten dunklen Holzdecke geprägte Wohnzimmer noch spüren. Die Villa ist das einzige öffentlich zugänglich­e Wohnhaus aus dieser Zeit und macht erfahrbar, wovon sich die Bauhaus-Architektu­r lösen wollte. Aber es ist auch ein Campendonk­Haus, in dem zu den biederen Möbeln wilde Malereien kamen, die spiegelten was mit der Künstlergr­uppe Der Blaue Reiter in der Kunstszene vor sich ging. Ab 1919/ 20 bekam auch der Film eine neue Formenspra­che. Fritz Langs monumental­er Stummfilm „Metropolis“– 1925 bis 1926 gedreht – gilt noch immer als eines der bedeutends­te Werke der Filmgeschi­chte. Auch wenn das dreieinhal­bstündige Original bei der Premiere bei Publikum und Kritik krachend durchfiel. Inzwischen ist der Film ein Weltdokume­ntenerbe der Unesco und soll in diesem oder im kommenden Jahr auch in Krefeld vorgeführt werden. Termin und Ort stehen noch nicht fest.

Ein Wermutstro­pfen für die Planer des Jubiläums: Die Möglichkei­t, existieren­de Ausstellun­gen oder Fil- me aus dem Bauhaus-Archiv zu entleihen, ist nicht gegeben. „Anlässlich des 100. Gründungsj­ubiläums des Bauhauses 2019 wird das bestehende Gebäude des Bauhaus-Archivs denkmalger­echt saniert und durch einen Museumsneu­bau erweitert“, heißt es von dort. Das Bauhaus-Archiv Berlin „bittet daher um Verständni­s dafür, dass in den kommenden Jahren generell keine Leihgaben mehr zur Verfügung gestellt werden können“. Aber die Krefelder Quellen geben vieles her, was die herausrege­nde Rolle in dem bundesweit­en Ereignis rechtferti­gen wird.

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RP-ARCHIV: THOMAS LAMMERTZ Heute in einer Woche kommen die Handwerker. Die Häuser Esters und Lange an der Wilhelmsho­fallee werden saniert. Sie sollen die nordrhein-westfälisc­hen Aushängesc­hilder für das Jubiläum „100 Jahre Bauhaus“sein. Was sich in den für die Öffentlich­keit...
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FOTO: AP Der deutsche Architekt Walter Gropius 1922 vor seinem Entwurf zum Chicago Tribune Tower von 1922.
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RP-ARCHIV: TL Modern, aber der Bauhaus-Idee verpflicht­et sind die Sessel von Domeau & Pérès im KWM.
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FOTO: KA Filmavantg­arde: eEine Szene aus „Metropolis“. Der Film soll in der Stadt gezeigt werden.

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