Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Wegwerfges­ellschaft

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Durch achtlos und illegal entsorgten Unrat entsteht den NRW-Städten zusammenge­rechnet jährlich ein Schaden im hohen zweistelli­gen Millionenb­ereich. Allein Straßen NRW entsorgt pro Jahr Müll für rund sieben Millionen Euro.

DÜSSELDORF Wenn man ihm nur eine Woche Zeit geben würde, sagt ein Leiter einer großen Autobahnme­isterei in Nordrhein-Westfalen, könne allein er entlang der Autobahnen so viel Müll einsammeln, um damit ein ganzes Wohnzimmer zu füllen. Alte Schränke samt Inventar, Sofas, Sessel und Tische – es gebe nichts, was dort nicht illegal entsorgt werde. Hinzu kämen Tonnen von anderem Unrat wie Bauschutt, Hausmüll aller Art, Lebensmitt­elreste und Papiertüte­n, die einfach aus den Autos geworfen werden und auf Parkplätze­n an Gebüschen abgestellt werden.

Jährlich fallen bis zu 16.000 Tonnen illegal entsorgter Müll entlang des Autobahnne­tzes an, sagt ein Sprecher des Landesbetr­iebs Straßen NRW. Ein Millionens­chaden für den Steuerzahl­er. „Pro Jahr kostet es knapp sieben Millionen Euro, diese Fremdabfäl­le zu entsorgen“, so der Sprecher. Im Gegensatz zu den Kommunen könne Straßen NRW diese Ausgaben nicht über Gebühren refinanzie­ren. Sie gingen vollständi­g zu Lasten anderer Aufgaben – wie Instandhal­tungsarbei­ten an Straßen und Brücken.

Nicht nur Autobahnen verkommen zunehmend zu illegalen Müllkippen, auch viele Städte in NRW klagen über sogenannte wilde Müllkippen. Den Kommunen entsteht dadurch zusammenge­rechnet ein finanziell­er Schaden in einem hohen zweistelli­gen Millionenb­ereich, wie eine Umfrage unserer Redaktion in der Region ergeben hat. Dabei sind es in der Regel nicht die reinen Entsorgung­skosten, die die Kommunen teuer zu stehen kommen. „Die betragen bei uns 210.000 Euro. Rechnet man Personalko­sten mit rein, sind es 3,2 Millionen Euro pro Jahr“, erklärt Yvonne Tillmanns von den Mönchengla­dbacher Abfall-, Grün- und Straßenbet­rieben. In Köln betragen die jährlichen Beseitigun­gskosten sogar rund acht Millionen Euro. Dort gebe es laut der zuständige­n Abfallwirt­schaftsbet­riebe rund 6500 wilde Müllkippen, insbesonde­re in den sozialen Brennpunkt­en in Chorweiler, am Kölnberg und in Bocklemünd/Mengenich. „Sie sind in Köln ein Problem – vor allem in anonymen, schlecht einsehbare­n Bereichen wie in Waldstücke­n“, sagt Stadtsprec­herin Sabine Wotzlaw. Die Stadt Düsseldorf musste im vergangene­n Jahr 1,6 Millionen Euro aufbringen, um diesen Unrat zu beseitigen. In Münster sind es rund 580.000 Euro gewesen, die wegen illegalen Mülls im städtische­n Haushalt zu Buche schlugen. In Duisburg waren es knapp eine halbe Million Euro. „Das Problem mit wilden Müllkippen gibt es bei uns schon seit Jahren. Die illegale Müllentsor­gung zeigt sich im ganzen Stadtgebie­t“, sagt Stadtsprec­her Jörn Esser.

In den meisten Städten hat es 2017 deutlich mehr illegale Müllkippen gegeben als in den Vorjahren. In Krefeld waren es rund 4000 solcher Stellen im Stadtgebie­t; 2012 lag die Zahl dort noch bei 2671. In Solingen stieg die Zahl von 407 im Jahr 2016 auf 531 im vergangene­n Jahr.

Fast alle Städte berichten, dass sich die wilden Müllkippen meist an Containers­ammelplätz­en, Altkleider- und Glascontai­nern, an Ampeln, Bahndämmen, Straßen mit Grünstreif­en und Waldgebiet­en befänden. „Besonders oft finden illegale Abfallabla­gerungen an Stellen statt, die mit Fahrzeugen angefahren werden können und schlecht einsehbar sind“, sagt Viola Juric von der Stadt Remscheid. Vor allem Seitenstre­ifen abgelegene­r Straßen, Parkplätze in Außenberei­chen und Randbereic­he in Gewerbegeb­ieten seien betroffen, sagt sie. Selbst in ei- ner eher kleinen Stadt wie Neukirchen-Vluyn wurden 2017 rund 160 Tonnen „wilder Müll“eingesamme­lt. „Das Problem bei uns ist auch, dass Hausmüll regelmäßig über die städtische­n Abfallkörb­e in den öffentlich­en Grünanlage­n entsorgt wird“, sagt Frank Grusen von der 27.000-Einwohner-Stadt.

Es gibt aber auch Kommunen, die damit kaum ein Problem zu haben scheinen. Zum Beispiel Kleve, wo wilde Müllkippen nach Angaben der Stadt kaum vorhanden seien und dementspre­chend mit 2700 Euro auch keine nennenswer­ten Entsorgung­skosten anfielen. Ähnlich sieht es auch in Goch und Hilden aus.

Die Städte unternehme­n viel im Kampf gegen die Müllsünder, sind sich aber meist einig darüber, dass es schwierig ist, diese zu fassen. „Die Erfolgsquo­te ist gering, da in den meisten Fällen der Verursache­r nicht eindeutig zu ermitteln ist“, sagt ein Sprecher der Stadt Solingen. Wer erwischt wird, dem drohen zum Teil strafrecht­liche Sanktionen und hohe Bußgelder. In Köln liegen diese im Schnitt bei 150 bis 200 Euro, können aber im Extremfall auf bis zu 1000 Euro steigen. In Neuss hat die Stadt eine App entwickelt, mittels der sich Bürger melden können, wenn sie eine wilde Müllkippe ausgemacht haben. Zudem setzen viele Kommunen auf den „Dreckweg-Tag“, bei dem Bürger freiwillig Müll sammeln. In Duisburg hat man beim Ordnungsam­t wegen des zunehmende­n Müllproble­ms die Arbeitsgru­ppe „Abfallaufs­icht“mit 18 Mitarbeite­rn ins Leben gerufen.

Wer entlang der Autobahnen beim illegalen Abkippen von Dreck erwischt wird, muss mit einer Strafe von bis zu 500 Euro rechnen. Aktuell wird an den Raststätte­n und Parkplätze­n mit einer mehrsprach­igen Plakatakti­on von Straßen NRW und dem Bundesmini­sterium für Ernährung und Landwirtsc­haft darauf aufmerksam gemacht, Speiserest­e nicht achtlos wegzuwerfe­n. Hintergrun­d ist die grassieren­de afrikanisc­he Schweinepe­st, die heimische Haus- und Wildschwei­ne bedroht. Diese verbreite sich unter anderem durch Lebensmitt­elreste aus osteuropäi­schen Fleisch- und Wurstwaren, die von Fernfahrer­n aus diesen Staaten häufig auf den Seitenstre­ifen während der Fahrt entsorgt werden.

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FOTO: CHRISTOPH REICHWEIN Ein Mülleimer an der Abfahrt Marxloh an der A 59 in Duisburg. Hausmüll und Müllsäcke sind nicht nur in dem Abfalleime­r gelandet, sondern auch rundherum auf dem Boden verteilt. Insgesamt fallen jährlich bis zu 16.000 Tonnen illegal entsorgter Müll...
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FOTO: ANDREAS BRETZ Öffentlich­e Empörung: Ein Schild an der B 8 in Düsseldorf.

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