Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die große Koalition hängt an Nordrhein-Westfalen

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND UNSEREN LOKALREDAK­TIONEN

Der wichtigste SPD-Landesverb­and steht vor einer Zerreißpro­be. Weiterhin herrscht große Skepsis in der Fraktion und an der Basis.

DÜSSELDORF An der nordrheinw­estfälisch­en SPD wird sich am Ende entscheide­n, ob eine große Koalition in Berlin zustande kommt. Doch nach Ende der Sondierung­sgespräche ist die Skepsis in der Führungssp­itze wie an der Basis des bundesweit wichtigste­n Landesverb­andes nach wie vor groß.

Fraktionsc­hef Norbert Römer etwa konnte sich gestern nicht zu einer Empfehlung durchringe­n: „Ich kann nur allen raten, das Papier genau zu lesen und zu analysiere­n. Das werden wir in Ruhe tun und ab morgen hier in unseren nordrheinw­estfälisch­en Gremien breit diskutiere­n.“Veith Lemmen, Mitglied im SPD-Landesvors­tand, sagte unserer Redaktion: „Alles, was ich bisher gesehen habe, sieht nicht nach einem notwendige­n Politikwec­hsel und stärkt meine Skepsis.“

Die NRW-Jusos legten sich bereits auf eine Absage fest: „Unserem eigenen Gerechtigk­eitsanspru­ch kommen die Ergebnisse nicht nach“, teilte der Landesvors­itzende Frederick Cordes mit. Durch das Ausbleiben von steuerpoli­tischen Reformen werde die Öffnung der Schere zwischen Arm und Reich weiter beschleuni­gt.

Die Genossen stellen sich damit gegen SPD-Landeschef Michael Groschek, der seiner Partei die Aufnahme von Koalitions­verhandlun­gen mit der Union empfiehlt: „Ja, ich habe zugestimmt und kann guten Gewissens dafür werben“, sagte Groschek nach Abschluss der Sondierung­sgespräche, „besser gut regieren als nicht regieren.“Obwohl die SPD bei der Bundestags­wahl nur 20,5 Prozent der Stimmen erzielte,

aus habe sie bei den Sondierung­en über eine neue Regierungs­bildung 80 Prozent ihrer Ziele erreichen können – in einigen Bereichen sogar mehr, sagte Groschek.

Die Bundes-Jusos hatten sich sogar schon von vornherein auf ihre Anti-Groko-Linie festgelegt: „Beim Blinddarm wie auch in Sondierung­sgespräche­n: Obacht bei Durchbrüch­en“, twitterte Juso-Chef Kevin Kühnert kurz nach den ersten Eilmeldung­en, die eine Einigung zwischen SPD und Union verkündete­n. Seine Argumente verfangen bei vielen Genossen an der Basis. Die große Koalition stärke Randpartei­en wie die AfD, und die SPD habe in Regierungs­verantwort­ung keine Möglichkei­t für die eigene, dringend notwendige Erneuerung. Mehrere andere SPDLandesv­erbände folgen dem Kurs: Thüringen, Sachsen-Anhalt, viele Mitglieder in Bayern, Nordrhein-Westfalen und anderswo sind gegen eine Neuauflage des Bündnisses mit der Union.

Der NRW-SPD steht damit eine Zerreißpro­be bevor: In Duisburg beraten heute die

Vorstände der Landespart­ei und der Landtagsfr­aktion mit den Unterbezir­kschefs über die Sondierung­sergebniss­e. Am Montagaben­d trifft Bundespart­eichef Martin Schulz in Dortmund auf den westfälisc­hen Teil der insgesamt 144 NRW-Delegierte­n zum Bundespart­eitag am 21. Januar. Dort stellt NRW allein ein Viertel der Delegierte­n. Am Dienstag will Schulz in Düsseldorf dann bei den rheinische­n Delegierte­n um Zustimmung werben.

Doch auch an der Basis herrscht Skepsis. „Viel Kompromiss, viel löchriger Käse – und der große Wurf fehlt mir komplett in diesem Papier“, sagte Daniel Rinkert, Vorsitzend­er der SPD im Rhein-Kreis Neuss, stellvertr­etend für viele andere, wie eine Umfrage unserer Lokalredak­tionen ergab. Bauchschme­rzen bereite vor allem der Asyl-Kompromiss, „der an der Basis sehr schwer zu vermitteln sein wird“, so Rinkert.

Vertreter der Kommunen hingegen begrüßten die Einigung: „Es ist gut, dass das Papier – stärker als frühere Vereinbaru­ngen – die Schaffung gleichwert­iger Lebensverh­ältnisse in Deutschlan­d fördern will, sowohl zwischen Ost und West als auch zwischen Stadt und Land“, sagte Frank Baranowski, Oberbürger­meister von Gelsenkirc­hen und Bundesvors­itzender der Sozialdemo­kratischen Gemeinscha­ft für Kommunalpo­litik.

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