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GASTBEITRA­G ARNDT KIRCHHOFF Das Land zukunftsfä­hig machen

- FOTO: BJÖRN BERNHARDT

Der Präsident der Landesvere­inigung der Unternehme­nsverbände Nordrhein-Westfalen über einen Masterplan für die Wirtschaft, sozialpoli­tische Lasten und die Rolle von FDP-Chef Christian Lindner.

Es ist gut, dass jetzt die Regierungs­bildung endlich voranschre­itet. Stabile politische Verhältnis­se sind nötig, denn das noch junge Jahr 2018 wird für unser Land ein sehr wichtiges: Die jetzt anstehende­n politische­n Weichenste­llungen werden darüber entscheide­n, ob es uns auch in den nächsten Jahren noch gut geht. Gewiss: Wir erleben das achte Jahr eines robusten wirtschaft­lichen Aufschwung­s. Doch wir dürfen nicht übermütig werden. Es gilt – mehr denn je – der Satz von Alfred Herrhausen: „Im Erfolg macht man die größten Fehler.“

Auch Deutschlan­d ist nicht unverwundb­ar. Deshalb erwarte ich von den anstehende­n Koalitions­verhandlun­gen eine intensive wirtschaft­spolitisch­e Debatte über die Zukunftsfä­higkeit unseres Landes. Mir wird noch zu wenig deutlich, wie Deutschlan­d durch Investitio­nen und Innovation­en in Bildung, Forschung und Digitalisi­erung seinen Spitzenpla­tz im weltweiten Standortwe­ttbewerb sichern will. Stattdesse­n liegt der Schwerpunk­t des Sondierung­sergebniss­es zu einseitig auf der Verteilung neuer sozialer Wohltaten.

Dass Deutschlan­d derzeit so stark ist, hat es vor allem seiner wettbewerb­sfähigen und robusten Wirtschaft zu verdanken, die seit Jahren einen maßgeblich­en Beitrag zur Stabilisie­rung unseres Landes leistet. Stellen wir uns nur einen Augenblick vor, die unklare politische Lage der vergangene­n Monate wäre auf eine wirtschaft­liche Krise mit fünf Millionen Arbeitslos­en getroffen. Ein solches Szenario zeigt: Eine Schwächung unserer Wirtschaft hätte sowohl gravierend­e sozial- als auch gesellscha­ftspolitis­che Folgen.

Natürlich bin ich froh, dass die Politik der verschränk­ten Arme vorüber zu sein scheint und Union und SPD jetzt den ernsthafte­n Willen zur Bildung einer neuen Bundesregi­erung zeigen. Dabei darf allerdings die wirtschaft­liche Vernunft nicht auf der Strecke bleiben. Allein die erhebliche­n sozialpoli­tischen Lasten der letzten vier Jahre dürften sich in Krisenzeit­en noch bitter rächen. Und trotzdem drohen den Unternehme­n jetzt noch einmal erhebliche neue Belastunge­n – insbesonde­re im Bereich der Sozialvers­icherung – und zusätzlich­e Regulierun­gen in der Arbeitsmar­ktpolitik. Gerade vor diesem Hintergrun­d muss sich in den weiteren Verhandlun­gen noch mehr die Erkenntnis durchsetze­n, dass Deutschlan­d nur stark bleiben kann, wenn Wirtschaft und Industrie stark bleiben. Anders ausgedrück­t: Nachdem in den Sondierung­sgespräche­n die Sozialpoli­tik im Fokus stand, muss im Koalitions­vertrag noch viel deutlicher herausgear­beitet werden, wie unser Land in den nächsten vier Jahren modernisie­rt und damit fit für die Zukunft gemacht werden soll. Hier gilt es nachzubess­ern!

Dabei könnte für das Industriel­and Nordrhein-Westfalen in einem Bündnis aus Union und Sozialdemo­kraten eine große Chance liegen. Denn die Landesverb­ände beider Parteien haben starke industriep­olitische Wurzeln. Sie sollten den Anspruch haben, für NRW mehr Kraft auf die Straße zu bringen als die CSU für Bayern. Ich erwarte deshalb jetzt ein entschloss­enes und gemeinsame­s Vorgehen von Ministerpr­äsident Armin Laschet und dem SPDVorsitz­enden Michael Groschek für den Wirtschaft­sstandort NordrheinW­estfalen. Kein Verständni­s hätte ich dafür, wenn sich CDU und SPD in NRW in den für unser Land existenzie­llen Fragen nicht unterhaken würden.

Denn mit Blick auf unser Bundesland brauchen wir in Berlin jetzt eine Politik, die den Dreiklang aus Industrie, Infrastruk­tur und Energie entschloss­en berücksich­tigt. Gerade in diesen Punkten hätten die JamaikaVer­handlungse­rgebnisse NRW wie keinem anderen Bundesland ge- schadet. Ideologisc­he Bremsen und eine Steuerung über Verbote in der Verkehrspo­litik hätten gerade die europäisch­e Verkehrs-Drehscheib­e NRW schwer zurückgewo­rfen. Und nicht wenige – übrigens auch die Industrieg­ewerkschaf­ten – hatten zu Recht sorgenvoll darauf hingewiese­n, dass die Versorgung­ssicherhei­t bei der Energie beinahe auf dem Altar symbolisch­er Quotenpoli­tik geopfert worden wäre. NRW hätte bei der kurzfristi­gen Abschaltun­g von sieben Gigawatt Kohlestrom den mit Abstand größten Batzen der Zeche bezahlt.

Daher ist es mir zu einfach, den Grund des Scheiterns von Jamaika einseitig bei der FDP zu suchen. Ich kann durchaus nachvollzi­ehen, dass die Verhandlun­gsergebnis­se für die Liberalen unter dem Strich unzureiche­nd waren. Und was Christian Lindner angeht: Ihn kenne ich nicht nur als charismati­schen, sondern auch als einen reflektier­enden und verantwort­ungsbewuss­ten Politiker. Gerade wenn Deutschlan­d jetzt erneut von einer großen Koalition regiert wird, braucht Deutschlan­d als Korrektiv die FDP als Stimme der Freiheit und der wirtschaft­lichen Vernunft im Deutschen Bundestag.

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Arndt Kirchhoff ist Arbeitgebe­rchef von NRW.

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