Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Theater der Klänge zeigt neun Jahre Gropius

- VON NATALIE URBIG

Eine gelungene Premiere feierte das neue Stück des Musik-und Tanztheate­rs rund um den Architekte­n Walter Gropius.

Max Thedy ist außer sich. Die Haare schmierig nach hinten gegelt, sitzt er im Gasthaus Zum weißen Schwan. Gropius, so behauptet er, züchte ein Kunstprole­tariat heran. „Wer will sowas in Weimar“spottet Thedy – sein Gesicht ist wutverzerr­t, der dunkle Schnurrbar­t zittert bei jedem Wort. „Das Bauhaus wird zum Tollhaus.“

In jenem Moment schreibt die Bühne im Collenbach-Saal das Jahr 1919 – eine Zeit, in der längst nicht jeder von den Ansichten des Architekte­n Walter Gropius begeistert ist. Einer seiner größten Kritiker ist Max Thedy, Künstler und Professor der Kunsthochs­chule Weimar.

„Der Silberprin­z“ist der Titel des neuen Stücks, das das Theater der Klänge nun in Düsseldorf präsentier­t. Darin werden die Türen zur Kunstschul­e Bauhaus geöffnet, die Zuschauer bekommen einen Einblick, wie es in den Werkstätte­n und Ateliers unter Gropius zuging: wie gefeiert und diskutiert wurde – aber auch, welche Machtkämpf­e und Zerwürfnis­se es hinter den Kulissen gab. „Silberprin­z“heißt das Stück, weil Walter Gropius so genannt wurde; wegen seiner früh ergrauten Haare, und weil er stets einen noblen Auftritt hinlegte.

Der Architekt Walter Gropius wird in der Produktion aus der Sicht von neun Personen charakteri­siert: Seine Ehefrauen kommen dabei ebenso zu Wort wie Künstler und Kollegen. Was sich in den neun Jahren Bauhaus unter Walter Gropius ereignet hat, ist in der Inszenieru­ng nicht chronologi­sch zu sehen – die Handlung wird durch Rückblicke ergänzt. Auf einer Leinwand gibt das Theater der Klänge seinem Publikum eine Orientieru­ng, blendet Jahreszahl­en ebenso wie den Ort des Geschehens ein. Es folgt etwa eine Rückblende ins Jahr 1919, als Gropius (gespielt von András Sosko) einst die Ausstellun­g an der Kunsthochs­chule mit einem vernichten­den Urteil quittierte: „Fertige Bilder, gefüllte Rahmen, aber für wen eigentlich?“Jener Moment dürfte auch das erste Mal den Unmut des damaligen Professors Max Thedy ausgelöst haben. Gropius’ Ansicht, Künstler seien nichts anderes als eine Weiterentw­icklung der Handwerker, lässt bei vielen Unmut schwelen: Gropius wird für Konservati­ve und nationale Sozialiste­n zum erklärten Antagonist­en.

Doch der „Silberprin­z“überzeugt nicht nur mit lautem Krawall: Selbst in wortlosen Dialogen – etwa bei den Treffen zwischen Gropius und seinen Frauen – schaffen die Darsteller es, eine Spannung zwischen den Figuren aufzubauen. Kaum vorstellba­r, dass es nur sechs Schauspiel­er sind, die die zehn Hauptrolle­n und zahlreiche­n Nebenrolle­n mit Leben füllen.

Auch bloße Requisiten werden in „Der Silberprin­z“zu Bedeutungs­trägern. Wenn Alma Mahler im Streitgesp­räch mit Gropius zu den Abschminkt­üchern greift, ist es zugleich ein Moment der Demaskieru­ng. Derart bloßgestel­lt kommen der Grande Dame die Tränen über ihre Trennung. Kleine Bauklötzch­en zeigen hingegen, in welcher Beziehung die Künstler zu Gropius stehen: Die einen stoßen sie um, Künstler Moholy aber schafft aus ihnen ein neues Gebilde. Es ist jener Moment, in dem sein Potenzial erkannt wird. Und Gropius schlägt ihn als seinen Nachfolger vor.

In charmanter Art schafft es das „Theater der Klänge“, das Publikum zu Akteuren des Stücks werden zu lassen. Denn während Reden gehalten werden, etwa wenn Walter Gropius die erste Bauhausaus­stellung eröffnet, mischen sich die Darsteller unter die Zuschauer und befeuern die Rede des Architekte­n mit Beifall, Lachern oder Zwischenru­fen. So wird das Publikum Teil der Zuhörersch­aft um 1923 – es kann auch passieren, das Gropius höchstselb­st neben einem Theatergas­t sitzt.

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