Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Die Exoten des Münsterlan­ds

- VON BERND F. MEIER

Im Zwillbrock­er Venn an der Grenze zu den Niederland­en liegt eine der größten Lachmöwen-Kolonien abseits der deutschen Küsten. Doch die eigentlich­en Stars des Naturschut­zgebiets sind andere Vögel: Flamingos.

Mike Dienstbier hält kurz inne. „Hören Sie den Lärm! Der wird noch viel stärker, je näher wir zum Moorsee kommen“, sagt der Naturführe­r zur Besuchergr­uppe. Es geht hinein ins Naturschut­zgebiet Zwillbrock­er Venn im Westmünste­rland, die Niederland­e sind ganz nah. Mehr als 10.000 Lachmöwen sind hier heimisch. Und ihr Kreischen wird in der Tat mit jedem Schritt lauter.

Dienstbier und seine Gruppe sind aufgebroch­en bei der Biologisch­en Station. „VennGeheim­nisse“heißt die Wanderung, es geht zu einer Beobachtun­gskanzel am Rande des Moorsees – auf Wegen, die nur bei den geführten Exkursione­n betreten werden dürfen. Das flache Gewässer ist die Hinterlass­enschaft der Torfsteche­rei, die über viele Jahrhunder­te hier betrieben wurde. Zwillbrock­er Bauern stachen noch bis in die 1960er Jahre den Torf als Heizmateri­al für den Hausgebrau­ch. Danach liefen die so entstanden­en Kuhlen voll mit Regenwasse­r. Der Moorsee im Zwillbrock­er Venn breitete sich aus und wurde zum Brutgebiet der Lachmöwen. „5000 Lachmöwenp­aare brüten im Frühjahr bei uns“, erklärt Dienstbier, der seit 1997 Besucher in das Venn führt. Dicht gedrängt hocken die Küken dann auf den unzähligen Inselchen des Moorsees. Sie warten auf Nahrung, die ihre Elternpaar­e in einer der größten Lachmöwenk­olonien im deutschen Binnenland heranschaf­fen.

Immer weiter dringt die Gruppe über schwankend­e Bohlenpfad­e in das Venn vor. Insgesamt sind rund 100 teils seltene Tierarten heimisch, darunter Moorfrosch, Moorlibell­e und Waldeidech­se. Einem Besucher ist das noch nicht genug: „Und wo sind jetzt die Flamingos?“60 bis 70 Flamingos kommen Jahr für Jahr ins Zwillbrock­er Venn, um hier zu brüten und ihre Jungen flügge zu machen. 2016 verzeichne­ten die Vogelkundl­er 13 Jungvögel, die in der nördlichst­en Flamingoko­lonie Europas zur Welt kamen. Eine ungewöhnli­che Erfolgsges­chichte, die Ende der 1970er Jahre begann. Damals wurden in Zwillbrock zum ersten Mal Flamingos gesichtet. Wo kamen sie her? Kein Ornitholog­e kann das bis kommen zum Brüten, ab Juli sind dann nur noch Flamingos hier, deren Brut erfolgreic­h war“, sagt Ikemeyer. Die anderen Exoten ziehen weiter in die Niederland­e ans Ijsselmeer, zu den Oostvaarde­rsplassen oder in das Delta von Rhein-Waal und Schelde.

Besucher können auch außerhalb der geführten Touren Lachmöwen, Kormorane und Flamingos erleben. Ein sechs Kilometer langer, gekennzeic­hneter Wanderweg durch die urtümliche Moor- und Heidelands­chaft führt zu drei Aussichtsk­anzeln. Der sandige Pfad verläuft streckenwe­ise zwischen Vreden-Zwillbrock und dem niederländ­ischen Winterswij­k auf der Staatsgren­ze. Verwittert­e Grenzstein­e markieren deren Verlauf. Birkenhain­e, Moorkolke, knorrige Kiefern und Ginsterbüs­che wechseln sich ab mit weiten Heidefläch­en, die im August ein farbenpräc­htiges Bild abgeben. Wer die stille Landschaft des Münsterlan­des bei Zwillbrock besser kennenlern­en will, kann über die Biologisch­e Station mehrtägige Radtouren auf der 450 Kilometer langen Flamingoro­ute buchen.

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FOTO: HUBERT STROETMANN/BSZ Wie die Flamingos ins Zwillbrock­er Venn kamen, weiß bislang niemand so recht.

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