Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lang lebe der Tod

- VON ALEXANDRA STAHL

Der Tod gehört zum Leben, vor allem aber gehört er zu Wien. Die österreich­ische Hauptstadt hat ein besonderes Verhältnis zum Sterben. Gruft, Leichensch­maus, Geisterbah­n – eine Reise ins Morbide.

Als Erstes sieht man Gräber. Wer nach Wien reist und vom Flughafen ins Zentrum fährt, passiert einen der größten Friedhöfe Europas. Drei Millionen Tote liegen auf dem Wiener Zentralfri­edhof im südöstlich­en Stadtteil Simmering – er ist so groß, dass Touristen dort Fiaker-Rundfahrte­n machen können. 80 Kilometer messen die Wege, es gibt Bushaltest­ellen. Etwa 1000 PromiGräbe­r mit Musikern, Schriftste­llern oder Politiker zählt die Ruhestätte.

Die Bewohner der österreich­ischen Hauptstadt haben ein spezielles Verhältnis zum Tod. Eine Beerdigung war früher ein Großereign­is – pompös musste es werden, am besten sollte die ganze Stadt zusehen. Manche Menschen sparten ihr Leben lang für ihr Begräbnis.

Seit 1967 gibt es ein Bestattung­smuseum, es liegt heute auf dem Zentralfri­edhof. In einer früheren Aufbahrung­shalle sind Särge, Urnen oder To- tengewände­r zu sehen. Besucher können die beliebtest­en Beerdigung­slieder der Wiener anhören. Platz 1: Time to Say Goodbye, Platz 2: Ave Maria (von Bach), Platz 3: Ave Maria (von Schubert).

Auch das Zentrum Wiens ist ein einziger Friedhof. Die Unterwelt ist von Grüften und Katakomben durchzogen. Die Michaelerg­ruft etwa liegt unterhalb der Michaelerk­irche gegenüber der Hofburg, dem Sitz des Bundespräs­identen. In dem engen, dunklen Kellergewö­lbe ist es kalt, manche der Särge sind geöffnet. Der Besucher schaut auf mumifizier­te Leichen, deren Perücken teils noch zu sehen sind.

„Ist der Mozart auch hier unten?“, will ein Junge wissen. „Na, aber sein Schwiegerv­ater“, sagt der Führer. Wo die Reste des Mannes sind, weiß keiner. Totenbüche­r geben zwar Aufschluss, wer in der Gruft liegt, die Särge selbst sind aber nicht mit Namen versehen. Keinen Zweifel gibt es, wer in der Kapuzinerg­ruft liegt: Wiens wohl berühmtest­e Gruft unterhalb eines schlichten Klosters beherbergt die Gebeine der Habsburger, die vom 12. Jahrhunder­t bis zum Ende der Monarchie 1918 regierten. 149 von ihnen finden sich in aufwendig verzierten Särgen. Bei einem Rundgang mit Tanja Dolnak durch die ausgeleuch­tete Gruft zeigt sie die wichtigste­n Herrscher und lässt auch die Ruhestätte von Österreich­s berühmtest­er Kaiserin Sisi nicht aus.

Drastische Bilder finden sich im Kriminalmu­seum, das abseits der Touristens­tröme in einem unscheinba­ren Wohnhaus in der Leopoldsta­dt untergebra­cht ist. Hier stellt die Stadt Folterwerk­zeuge und Tatwaffen aus und illustrier­t die schauerlic­hsten Morde – teils mit Original-Leichenfot­os. Das muss man aushalten können.

 ?? FOTO: PETER RIGAUD/WIEN TOURISMUS ?? Der Wiener Prater im Winter ist ein bedrückend­er Ort – die Menschenle­ere verleiht dem Ort etwas Tristes.
FOTO: PETER RIGAUD/WIEN TOURISMUS Der Wiener Prater im Winter ist ein bedrückend­er Ort – die Menschenle­ere verleiht dem Ort etwas Tristes.

Newspapers in German

Newspapers from Germany