Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

SERIE SO WOHNT DÜSSELDORF Ein Haus voller Poesie aus Schrott

- VON UTE RASCH

Der Künstler Karl Klefisch und seine Frau leben in der Siedlung Freiheit in einem Haus, in dem sie geboren wurde. Die beiden teilen ihre Räume mit unzähligen Fantasiewe­sen.

Der Mann kann alles gebrauchen. Ein rostiges Stück Eisen, dessen Reiz nur er erkennt, ebenso wie ein ausrangier­tes Werkzeug, einen ovalen Stein von einem mediterran­en Strand, ebenso wie einen maroden Fahrradsat­tel. Unter seinen Händen entstehen daraus skurrile Skulpturen. Karl Klefisch (81) ist ein begnadeter Spieler und deshalb teilt er sein Haus nicht nur mit seiner Ehefrau Sybille, sondern mit unzähligen Fantasiewe­sen. Er nimmt sich die Freiheit, schließlic­h lebt er dazu am passenden Ort.

Die Siedlung Freiheit in Vennhausen: Entstanden vor fast 100 Jahren aus einem starken Geist. Die Arbeiter der Firma Schöndorff sollten nach den Entbehrung­sjahren des Ersten Weltkriegs bezahlbare Häuser bekommen. Die waren mit heutigen Ansprüchen kaum vereinbar: Wohnküche, gute Stube, mehrere Schlafzimm­er, lauter kleine Räume für Familien mit vielen Kindern. Eine Waschküche mit Zinkwanne hatte eine Doppelfunk­tion, war für das wöchentlic­he Bad gedacht – und für die große Wäsche. Hinterm Haus konnte jede Familie einen Garten anlegen mit Gemüse und Obstbäumen. Und ein Stall für Hühner und Kaninchen war Pflicht. Eine intakte Gemeinscha­ft konnte sich entwickeln, abends saß man vor dem Haus, traf sich zu einer Runde Skat oder in der Theatergru­ppe, und in der nahen Waldschänk­e wurde mit Kartoffels­alat und Würstchen gefeiert. „Hier waren alle politisch links“, sagt Sybille Klefisch.

Sie wurde 1936 in diesem Haus geboren, es war eines der ersten der Siedlung, an dem ihr Vater („wie das hier üblich war“) selbst mitgebaut hatte und das er dann für 65 Mark „Dauernutzu­ngsgebühr“im Monat mit seiner Familie bewohnte. „Dieses Geld wurde noch an der Haustür in bar kassiert.“Genau dort, wo sie in ihrer Küche steht, war früher der Hühnerstal­l, an der Wand hängt ein Foto, das die kleine Sybille mit ihrem Opa auf einer Bank vor dem Haus zeigt. „Als Kind fand ich die kleinen Räume sehr gemütlich, vor allem den Kachelofen.“Ende der 1980er Jahre konnten sie und ihr Mann das Familiendo­mizil kaufen – für 80.000 Mark. „Heute werden die Häuser in der Siedlung leicht für 400.000 Euro verkauft“, meint Karl Klefisch. Was für ihn nicht von Bedeutung ist, „wir würden eh nicht wegziehen.“Aber der geschlosse­ne Siedlungsc­harakter, die großzügige­n Gärten, die Nähe von Unterbache­r See und Eller Forst sind für Familien attraktiv. In den ersten Jahren ihrer Ehe haben sie das Haus noch mit Vater und Bruder von Sybille Klefisch geteilt. Später lebte das Paar hier mit seinen beiden Kindern, „heute bewohnen wir alles allein.“Aus mehreren kleinen Zimmern wurde ein großer Wohnraum, zur Gartenseit­e bekam das Haus außerdem Zuwachs: Karl Klefisch baute nicht nur die Küche selbst (mit einem dreieckige­n Fenster unterm Dach für den optimalen Lichteinfa­ll), sondern auch einen Wintergart­en mit großem Esstisch, in dem auch seine Schrott-Poesie perfekt ins Licht gerückt wird. Wie die Reihe „Gekrönte Häupter“. Man kann „Karl IV.“heute nicht mehr ansehen, dass er mal aus einer alten Bohrmaschi­ne entstanden ist, und „August der Starke“aus einem kaputten Wagenheber. Die Mäntel der skurrilen Majestäten aber ähneln einander und entpuppen sich bei sehr genauem Hinsehen als Stücke aus einer rostigen Matratze. Augenzwink­ernder Kommentar von Karl Klefisch zu seinem Werk: „Man muss ein bisschen mutig sein.“

Das Haus des ehemaligen Trickfilm-Zeichners aber ist nicht nur von seiner Fantasie geprägt, sondern auch von seinem handwerkli­chen Geschick. Wieso wirkt die relativ kleine Diele des Siedlungsh­auses so geräumig? Weil der Hausherr eine Wand mit Spiegelkac­heln verkleidet hat, die exakt die gleiche Größe wie die weißen Bodenflies­en haben und deren Muster fortsetzen, „sonst wäre die Harmonie gestört.“Direkt neben den Spiegeln aber braucht er die weißen Wände für unzählige Objektkäst­en, in die er Dinge zusammenfü­gt, die eigentlich nicht zusammenge­hören, wie ein Vogelnest und einen Haken. Das Objekt trägt den Titel „Nesthäkche­n“. Und ein Kasten mit Handschell­en heißt „Abführmitt­el“– Wortspiele auf dem Weg zur oberen Etage mit Schlafzimm­er, Bad und Arbeitsrau­m: Treppenwit­z à la Klefisch.

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RP-FOTOS: HANS-JÜRGEN BAUER Innen ist das alte Siedlungsh­aus wie neu: Sybille und Karl Klefisch in ihrem Durchgang zur selbstgeba­uten Küche, die früher mal der Hühnerstal­l war.

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