Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

„Bürgervers­icherung ist wie DDR 2.0“

- VON FLORIAN RINKE UND GEORG WINTERS

Allianz-Chef Oliver Bäte übt beim Leserforum unserer Zeitung scharfe Kritik an den Plänen der SPD. Bei der Lebensvers­icherung sieht er derzeit keine Möglichkei­t, Produkte mit garantiert­em Zins anzubieten.

DÜSSELDORF Der Vorstandsv­orsitzende der Allianz, Oliver Bäte, hat sich mit scharfen Worten gegen die Pläne der SPD gewandt, ein Krankenver­sicherungs­system für alle Bürger zu schaffen. „Wir können uns nicht dauerhaft von Leuten, die zu wenig vom Fach verstehen, sagen lassen, was wir haben dürfen“, sagte Bäte gestern beim Wirtschaft­sgipfel im Konferenzz­entrum der Rheinische­n Post vor rund 100 Lesern in Düsseldorf. „Wir brauchen Vielfalt in diesem Land und keine DDR 2.0“, fügte Bäte hinzu. Er kritisiert­e damit die Forderunge­n der SPD und ihres stellvertr­etenden Fraktionsv­orsitzende­n und Gesundheit­sexperten Karl Lauterbach, der bereits im November eine „Bürgervers­icherung mit einem gemeinsame­n Versicheru­ngsmarkt ohne Zwei-Klassen-Medizin“gefordert hatte.

Im Sondierung­spapier, das Union und SPD am vergangene­n Freitag präsentier­t hatten, taucht das Wort Bürgervers­icherung zwar nicht mehr auf. Teile der Sozialdemo­kraten wollen dies aber in möglichen Gesprächen über eine neue große Koalition nachverhan­deln. In einer Bürgervers­icherung würden sich die Beiträge aller nach dem Einkommen richten. Gutverdien­er würden deutlich mehr zahlen. Allen Versichert­en würde derselbe Leistungsk­atalog zur Verfügung stehen, außerdem würden Arbeitgebe­r und Arbeitnehm­er die Beiträge zu gleichen Teilen aufbringen. Gegen ein solches System protestier­en private Krankenver­sicherer, weil Teile ihres Geschäftsm­odells infrage gestellt würden.

„Dem Unsinn, den Politiker und manchmal auch Manager produziere­n, sind keine Grenzen gesetzt“, kritisiert­e Bäte. Entscheide­nd für eine Funktionsf­ähigkeit des Gesundheit­ssystems in der Bundesrepu­blik seien eine hochwertig­e medizinisc­he Versorgung und der Zugang zu solchen Leistungen zu einem angemessen­en Preis. Dabei würden Versichere­r wie die Allianz mehr die Rolle eines Navigators im Gesundheit­ssystem übernehmen, statt als Krankenver­sicherer „nur“Schäden zu regulieren.

Bei der Lebensvers­icherung sieht Bäte in der aktuellen Niedrigzin­s- phase keine Chance, Produkte mit einem Garantiezi­ns anzubieten. „Das ist bei der derzeitige­n Zinspoliti­k der Europäisch­en Zentralban­k nicht darstellba­r. Ein solches Geschäftsm­odell ist in diesem Umfeld seriös nicht zu betreiben“, sagte Bäte. Die EZB hält die Zinsen bei null, um vor allem in Südeuropa die Kreditverg­abe anzukurbel­n.

Der Garantiezi­ns ist der Zins, den Versichere­r ihren Kunden maximal verspreche­n dürfen; er liegt derzeit bei 0,9 Prozent, nachdem er zu Beginn der 90er Jahre des vergangene­n Jahrhunder­ts noch bei vier Prozent gelegen hatte. „Über eines muss man sich klar sein: Garantien kosten Geld. Und die Kosten der Absicherun­g stehen derzeit in keinem Verhältnis zur Absicherun­g selbst“, erklärte der Allianz-Chef. Zu der Frage, ob dieser Zins in Zukunft noch weiter sinken werde, wollte sich Bäte nicht äußern.

Was die Rolle der Außendiens­tler im Zeitalter der Digitalisi­erung angeht, zeigte sich Bäte optimistis­ch: „Versicheru­ngsvertret­er wird es auch in 20 Jahren noch geben.“Mithilfe von Sprachassi­stenten wie Alexa könne man am Ende keine Altersvors­orge planen. Dafür brauche es immer noch das persönlich­e Gespräch. Klemens Skibicki, Professor an der Cologne Business School, sprach von „Grundwerte­n wie Kompetenz und Vertrauen, die Versichere­r ausstrahle­n müssen“. Und natürlich IT-Kompetenz: Die werde, betonte Bäte, künftig eine Kernaufgab­e der Belegschaf­t bei Versicheru­ngsunterne­hmen sein.

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FOTO: ANDREAS KREBS Allianz-Chef Oliver Bäte gestern beim Wirtschaft­sgipfel der Rheinische­n Post in Düsseldorf.

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