Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
ANALYSE Die
Bundeswehr arbeitet an einem neuen Erlass zu ihrem Selbstverständnis. Dabei verstehen vor allem junge Soldaten Tradition anders als die Öffentlichkeit. Ihr Verständnis für den Streit darüber hält sich in Grenzen.
breitet. Bei einem Workshop zum jüngsten Erlass verwies ein General darauf, dass Soldaten Tradition anders betrachten als die Gesellschaft: Ihnen gehe es nicht um den historischen Kontext, sie suchten nach Vorbildern für den Kampf. Der große Erfolg der Bundeswehr, in der Nato die längste Friedensepoche Deutschlands und aller Vorgängerstaaten gesichert zu haben, gerät dabei zum Nachteil: Abgesehen von kleineren Gefechten in Afghanistan oder im Kosovo sind deutsche Soldaten eben nicht mehr als tollkühne, tapfere Kämpfer gefragt, sondern zum Beispiel in der unspektakulären Sicherung eines brüchigen Friedens auf dem Balkan. Sie sollen das Kriegshandwerk beherrschen, um es nicht anwenden zu müssen – sympathisch, aber recht abstrakt.
„Ich habe mich gefragt, was wichtiger ist: der Widerstand gegen den Befehl, ein Wappen mit Wehrmachtsbezug von einem Gedenkstein in der Kaserne zu entfernen? Oder die bestmögliche Ausbildung meiner Soldaten für den bevorstehenden Auslandseinsatz sicherzustellen?“, sagt ein Offizier. Also habe er das kritisierte Symbol abmontieren lassen, obwohl er die Bedenken seiner Vorgesetzten nicht teile. Jüngere Soldaten, oft mehr vorgeprägt durch US-Kriegsfilme und Videospiele als durch Geschichtswissen, begegnen dem jüngsten Streit teils verständnislos. Wer ein Gemälde eines deutschen Kriegsschiffs aus der Skagerrak-Schlacht 1916 im Casino aufhänge, sei doch kein Nazi und verherrliche Kriege. Die Durchsuchung sämtlicher Liegenschaften nach dem Fall Franco A. hat sie irritiert.
„Als ehemaliger Truppenführer weiß ich, dass sich die jungen Soldaten schon fragen, woher sie kommen, worauf sich ihr Beruf gründet und wohin er sie führt“, meint dagegen Generalleutnant a.D. Hans-Werner Fritz, zuletzt Befehlshaber des Einsatzführungskommandos. „Wer auf diese Fragen Antworten geben will, wird am Thema Tradition nicht vorbeikommen. Und die Antworten, die man dann gibt, sollten keine allzu akademischen sein. Gerade die jungen Soldaten wollen etwas zum Anfassen haben, etwas, das sie verstehen.“