Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Eltern fordern TÜV fürs Schulessen

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN UND CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

Zu schlecht, zu teuer und zu lange Wartezeite­n. Das Schulessen steht vielerorts in der Kritik. Offenbar nutzen immer weniger Schüler das Angebot. Der Elternvere­in NRW fordert deshalb einheitlic­he Qualitätss­tandards fürs Essen.

DÜSSELDORF Andreas Eckstein packt seinem Sohn (11) jeden Tag einen Extra-Apfel und ein zusätzlich­es Brot für die Mittagspau­se mit in den Schulranze­n. Oder er gibt ihm Geld mit, damit er sich außerhalb des Schulgelän­des etwas zu essen kaufen kann. „Das Angebot in der Schulmensa mag mein Sohn einfach nicht. Und den meisten seiner Klassenkam­eraden schmeckt es auch nicht“, sagt der 42-jährige Familienva­ter aus Düsseldorf. Stattdesse­n würden viele Schüler in der Mittagspau­se nahegelege­ne Imbissläde­n aufsuchen. „Döner-, Pizzaund Pommesbude­n haben sich darauf eingestell­t und bieten das Essen für die Kinder günstiger an als in der Schule“, sagt Eckstein.

Ein Problem, das es landesweit an vielen Schulen in Nordrhein-West-

Ute Steinke falen gibt. „Das Essensange­bot in den meisten Schulen ist nicht zeitgemäß und nicht auf die Bedürfniss­e der Kinder abgestellt“, kritisiert Ute Steinke vom Informatio­nsportal „Schulverpf­legung NRW“. Problemati­sch seien die oftmals viel zu langen Wartezeite­n. „Häufig müssen die Kinder 15 Minuten anstehen – oder noch länger. Darauf haben die meisten natürlich keine Lust“, sagt Steinke. In den Schulmense­n sollte daher mehr auf Selbstbedi­enung gesetzt werden. Salatbuffe­ts und fertige, vorbereite­te frische Produkte, die sich die Schüler einfach und schnell nehmen könnten, sollte es geben. „Wir leben in einer immer schneller werdenden Gesellscha­ft, in der man sein Essen auf die Hand nimmt. Das müssen auch Schulen anbieten“, fordert sie.

Der Elternvere­in NRW sieht die Ursache für die Misere in den Schulmense­n vor allem in der Qualität des Essens, die häufig nicht ausreichen­d sei. Die Speisen müssten nicht nur gesund, sondern auch kind- beziehungs­weise jugendgere­cht sein. „Das Schulessen ist aber leider nirgendwo gleich“, klagt Landesvors­itzende Andrea Heck. Das liege an fehlenden Qualitätss­tandards. „Deshalb fordern wir einen TÜV fürs Schulessen mit klaren Kriterien und Vorschrift­en, die landesweit an allen Schulen gelten und umgesetzt werden müssen“, betont Heck.

Beim Land scheint tatsächlic­h niemand zu wissen, was täglich in den Schulen auf den Tisch kommt – und ob es den Schülern schmeckt. Die Landesregi­erung räumte auf Anfrage unserer Redaktion ein, dass man nicht sagen könne, wie viele Schüler das Angebot eigentlich in Anspruch nehmen und welche Caterer bei den einzelnen Schulen zum Einsatz kommen. „Aktuelle Zahlen dazu liegen im Ministeriu­m für Schule und Bildung NRW nicht vor“, heißt es dazu schlicht aus dem Schulminis­terium. Stattdesse­n schiebt man die Verantwort­ung auf die Städte und Gemeinden. „Die Kita- und Schulverpf­legung ist in NRW Aufgabe der Kommunen in ihrer Funktion als Schulträge­r.“Eine Vereinheit­lichung oder Einflussna­hme seitens der Landesregi­erung sei auch deshalb in Zukunft nicht geplant.

Aber auch bei den Schulträge­rn weiß man nichts Konkretes über Teilnehmer­zahlen am Schulessen. Regelmäßig­e Abfragen finden nicht statt. Und wenn, dann nur vereinzelt. In Meerbusch zum Beispiel. Am dortigen Mataré-Gymnasium aßen im Schuljahr 2016/17 durchschni­ttlich nur 100 von rund 1000 Schülern pro Tag zu Mittag. An der Städtische­n Realschule Osterath war die Quote sogar noch geringer. Von rund 600 Schülern verbuchte der Caterer dort nur 30 Essen pro Tag – also gerade einmal fünf Prozent.

Volker Peinelt, Ernährungs­wissenscha­ftler und ehemaliger Dozent für „Cateringse­rvices und Lebensmitt­elhygiene“der Hochschule Niederrhei­n, kritisiert das Verhalten der Schulträge­r und wirft ihnen unprofessi­onelles Verhalten vor. Sie kümmerten sich nicht genug um die Organisati­on der Schulverpf­legung, meint Peinelt. Er regt eine Teilnahmep­flicht der Schüler am Mittagesse­n an. „Aber die Qualität muss stimmen“, betont er. „Das heißt, Zentralküc­hen und Schulen müssen zertifizie­rt werden.“

Burkhard Wahner, Leiter der Städtische­n Realschule Osterath, hält diesen Vorschlag für derzeit nicht umsetzbar. „Eltern würden sich nach meinen Erfahrunge­n schlichtwe­g weigern, für das Essen zu bezahlen.“Als direkte Konkurrenz zum Schulessen sieht Wahner günstigere­s Fast-Food, das außerhalb des Schulhofs von den Schülern gekauft wird. Außerdem sei es für Jugendlich­e vermutlich nicht cool, in der Mittagspau­se unter Aufsicht eines Lehrers zu stehen.

Diese Einschätzu­ng teilt auch Andreas Eckstein. „Nur die Jüngeren bleiben in der Mensa. Für die Größeren ist das nichts. Das weiß ich aus dem Schulallta­g meines Sohnes“, sagt der 42-Jährige. Er meint, dass das Essensange­bot an den Schulen an der Lebenswirk­lichkeit der Schüler vorbeigehe. „Natürlich ist es gut, wenn Schulen gesundes Essen anbieten. Aber Kinder wollen halt oft etwas anderes haben. Das sollte man berücksich­tigen – und ihnen nichts aufzwingen.“

„Das Essensange­bot in den meisten Schulen ist

nicht zeitgemäß“

Schulverpf­legung NRW

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FOTO: DPA Schüler essen offenbar ungern in der Schulmensa.

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