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Familienna­chzug: FDP will Milde im Einzelfall statt Kontingent­e

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Liberalen stellen sich in ihrer ersten Fraktionsk­lausur auf eine „individual­istische“Opposition­sarbeit im Bundestag ein.

BERLIN Nach Union und SPD will auch die FDP den Familienna­chzug für Flüchtling­e, die nur subsidiäre­n Schutz in Deutschlan­d gefunden haben, um weitere zwei Jahre aussetzen. Doch der von der möglichen künftigen großen Koalition gefundene Kompromiss eines Kontingent­s von 1000 Nachzügen monatlich ist aus Sicht der Liberalen ein zu starker Eingriff in das Grundrecht auf Ehe und Familie. Sie gehen nach ihrer Fraktionsk­lausur deshalb mit einem eigenen Gesetzentw­urf ins Rennen, der drei Gruppen von subsidiär Geschützte­n den Nachzug ihrer Familien erlauben soll: Persönlich­e Härtefälle sollen vom Nachzugsst­opp genauso wenig betroffen sein wie solche, die gut integriert sind und ihre nachziehen­den Angehörige­n finanziell unterhalte­n können. Außerdem soll derjenige kommen können, dessen Leib, Leben oder Freiheit ernsthaft gefährdet ist. „Das können im Monat 39 sein oder auch mal 2000“, sagte Lindner. Es zähle nicht ein willkürlic­hes Kontingent, sondern die individuel­le Betroffenh­eit.

In diesem Zusammenha­ng regen die Liberalen an, eine eigene Kategorie von „vorübergeh­endem humanitäre­n Schutz“einzuführe­n, um die Migration besser ordnen zu können. Für diese Menschen müsse es auch die Möglichkei­t zum „Spurwechse­l“in die dauerhafte Arbeitsmig­ration geben.

Die engen Kontakte aus den Jamaika-Verhandlun­gen wirken auch in Zeiten selbstgewä­hlter Opposition für die FDP noch nach. Jedenfalls erklärte Fraktionsc­hef Christian Lindner das Zurückhalt­en seines Familienna­chzug-Gesetzentw­urfes mit einer Bitte von CDU/CSU-Fraktionsc­hef Volker Kauder, damit erst nach dem Ende der Sondierung­en mit der SPD herauszurü­cken.

Auch die strategisc­he Ausrichtun­g der FDP für die Opposition­szeit lässt noch auf sich warten. Zwar ist sich Lindner sicher, dass sich die Bundestags­abgeordnet­en grundsätzl­ich an der Aufstellun­g der FDP als „progressiv­e, individual­istische, weltoffene“Partei orientiere­n werden. Doch mit dem Prozess der Selbstfind­ung der FDP nach dem Rauswurf aus dem Bundestag hat er so gute Erfahrunge­n gemacht, dass er ihn nun auch in der Fraktion wiederhole­n lässt: keine ausformuli­erten Vorgaben von oben, sondern intensive Debatten und Themenfind­ungen aus der Mitte der Partei.

Bis Mai sollen dementspre­chend nun auch die FDP-Bundestags­abgeordnet­en die Strategie für die nächsten Jahre selbst entwickeln. Weder Fundamenta­loppositio­n noch Polemik soll dabei Taktgeber sein, sondern das Bemühen um fachliche „Avantgarde“. Was das konkret bedeutet, beleuchtet­e Lindner am Beispiel der Klimapolit­ik. Statt mit „Quoten, Verboten und Subventio- nen“um die Einhaltung der Klimaziele zu ringen, sollten „innovative marktwirts­chaftliche Methoden“ziehen. Das klimaschäd­liche Kohlendiox­id müsse also „in allen Situatione­n einen Preis“bekommen.

In der Fraktionsk­lausur bescheinig­ten Demoskopen und weitere Gäste nach Lindners Darstellun­g, dass die FDP-Unterstütz­er mit dem Jamaika-Aus gut leben könnten. Die Absage des designiert­en CSU-Ministerpr­äsidenten Markus Söder an eine Koalition mit der FDP in Bayern werde indes „wie ein Bumerang“auf Söder zurückfall­en.

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