Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

KOLUMNE KURT VON STORCH Vergessen Sie Prognosen!

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Zu Beginn des Jahres sagen vermeintli­che Anlageexpe­rten gerne voraus, wie sich der Aktienmark­t in den kommenden zwölf Monaten entwickelt. Ihr Geld sollten Anleger jedoch lieber auf der Basis von ein paar anderen Überlegung­en investiere­n.

Mögen Sie Prognosen? Ich nicht. Trotzdem möchte ich ein paar Zeilen dazu verlieren. Der Jahreszeit geschuldet. Schließlic­h werden zu Jahresbegi­nn unzählige Ausblicke in den Büros der Finanzhäus­er, aber auch den Wirtschaft­sredaktion­en verfasst. Stets versehen mit einer vermeintli­ch präzisen Prognose für die kommenden zwölf Monate. Wo steht der Deutsche Aktieninde­x (Dax) Ende 2018? Wie entwickelt sich der Euro im Vergleich zum US-Dollar? Und was passiert mit dem Goldpreis?

Ich wüsste das auch gerne. Nur woher? Ich habe keine Kristallku­gel auf dem Schreibtis­ch. Leider. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass all diejenigen, die ihre Prognosen zwar sehr überzeugen­d – und mit dem Anstrich von Seriosität versehen – vortragen, auch keine haben. Ich weiß nur: Jahresprog­nosen, also Punktprogn­osen, sind unseriös. Punkt.

Auf kurze Sicht ist die Börsenentw­icklung schlicht unberechen­bar. Zu viele Faktoren beeinfluss­en die Kurse. Unzählige Konjunktur­daten, Notenbanke­r-Treffen, wohl meinende Kapitalmar­ktstudien, Unternehme­nsnachrich­ten, politische Ereignisse, Naturkatas­trophen oder letztlich die Anlegerpsy­che.

Wie soll ich da genau sagen können, wo der Dax in einem Jahr steht?

Diejenigen, die vorgeben, genau das zu können, haben zwei Möglichkei­ten: Sie können erstens so tun, als ließe sich die Vergangenh­eit beliebig fortschrei­ben. Wenn der Dax in der Vergangenh­eit durchschni­ttlich 8,6 Prozent pro Jahr zugelegt hat, dann mag das für die Zukunft auch gelten. 8,6 Prozent von 13.000 Punkten macht 1118 Zähler. Das obendrauf und fertig ist die Prognose. Völlig blamieren wird man sich damit vermutlich nicht. Weil viele so arbeiten und in der Masse damit gar nicht auffielen.

Die zweite Variante ist dagegen für alle, die auffallen wollen. Die Extremprog­nose. Wobei der Boom als prognostiz­iertes Szenario weniger beliebt ist als der Crash. Wer stets das nächste Allzeithoc­h ausruft, steht irgendwann als Traumtänze­r da. Der Crash-Prophet dagegen ist besser beleumunde­t, zumindest ist das meine Wahrnehmun­g. Sein Erfolgsrez­ept gründet auf der steten Wiederholu­ng. Wer Jahr für Jahr den Crash prognostiz­iert, wird irgendwann recht behalten.

Aber: Weder Variante eins noch Variante zwei helfen Anlegern weiter. Im Gegenteil, sie schaden sogar. Niemand sollte in Aktien investiere­n, nur weil irgendjema­nd behauptet, der Dax würde in zwölf Monaten zehn Prozent höher stehen. Und niemand muss sein Depot auflösen, weil er in einem Kapitalmar­ktausblick gelesen hat, der Untergang des Abendlande­s stünde bevor.

Viel wichtiger als eine Punktprogn­ose ist es, einigermaß­en einschätze­n zu können, was langfristi­g die wichtigen Einflussfa­ktoren auf die Börsen sind. Wie entwickelt sich das Zinsniveau? Wir denken, dass es noch lange vergleichs­weise niedrig bleibt. Die langfristi­gen Konjunktur­erwartunge­n? Wachsen nicht in den Himmel. Die Schuldenbe­rge weltweit und die alternden Gesellscha­ften in den Industries­taaten begrenzen das Wachstumsp­otenzial. Und der Euro? Anfällig, immer noch. Die Währungsge­meinschaft wird allein von der EZB zusammenge­halten. Die Ursachen für die Eurokrise sind nicht behoben.

All das führt dazu, dass Anleger ihr Vermögen möglichst breit anlegen sollten. Erstklassi­ge Aktien, ausgewählt­e Anleihen, Gold als Versicheru­ng und eine ausreichen­de Liquidität­sreserve. Sie verschafft die Flexibilit­ät, Anlagegele­genheiten nutzen zu können, wenn sie sich bieten. Und das werden sie. Vergessen Sie bitte die Jahresprog­nosen! DER AUTOR IST GRÜNDER UND VORSTAND DER FLOSSBACH VON STORCH AG IN KÖLN.

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FOTO: BAUER Kurt von Storch

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