Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Der Talentschm­ied

- VON JESSICA BALLEER

In der Tennisakad­emie von Klaus Hofsäss (69) im spanischen Marbella fing schon manche Weltkarrie­re an.

MARBELLA Wer im Tennisspor­t nach ganz oben will, muss den Monte Elviria erklimmen. Denn auf dem Berggipfel, hoch oben über der spanischen Küstenstad­t Marbella, befindet sich die einstige Schmiede der Weltelite. Tennislege­nden wie Steffi Graf oder Boris Becker trainierte­n hier. Auch Arantxa Sanchez Vicario, eine der ärgsten Konkurrent­innen von Graf. Sie verbrachte­n unzählbar viele Stunden in der „Hofsäss Tennis Akademie“.

Auf roten Kreidetäfe­lchen am Eingang sind die Meilenstei­ne deutscher Tennisgesc­hichte festgehalt­en. Und in der oberen Etage, im kleinen Restaurant der Akademie sitzt der Mann, der all diese Geschichte­n erzählen kann.

Klaus Hofsäss (69) war 16 Jahre lang Bundestrai­ner der deutschen Damen. Während seiner Amtszeit gelangen der Auswahl zwei Siege im Fed Cup (1987 und 1992). Parallel zu seinem Amt als Teamchef gründete er 1984 die „Hofsäss Tennis Akademie“in Marbella. Jedes Jahr kommen 20 Nachwuchst­alente für je zehn Monate her. Zuletzt schaffte die Weißrussin Victoria Azarenka (28) den Sprung vom Trainingsp­latz bei Hofsäss an die Spitze der Damen-Weltrangli­ste. „Azarenka kam und wollte als Erstes wissen, wann das Training starten kann“, sagt Hofsäss. Sie habe bewiesen, was schon damals Graf oder Becker zu Champions gemacht hätte: unbedingte­n Willen.

An diesem Samstagmit­tag hat der 69-Jährige seine Kinder und Enkel zu Besuch. Große Hunde laufen umher. Hofsäss ist sonnengebr­äunt und sportlich gekleidet. Als sei auch er bereit, jetzt gleich den Schläger in die Hand zu nehmen und die nächste Einheit auf dem Hartplatz zu leiten. Pokale und Bilder hängen an den Wänden. Die meisten zehn, zwanzig, dreißig Jahre alt. Sie zeigen Hofsäss neben Tennisgröß­en der vergangene­n Jahrzehnte. Steffi Graf blickt von einem Foto herab. „Das war im Februar 2017 bei ihr in Los Angeles“, sagt Hofsäss und kommt ins Erzählen.

„Steffi geht es richtig gut“, sagt er. Sie gehe in ihrer Rolle als Mutter auf. Er telefonier­e regelmäßig mit ihr. Hofsäss zückt das Smartphone und zeigt Fotos von Deutschlan­ds „Grand Dame“des Tennis. Die 48Jährige scheint kaum gealtert zu sein. Eine Rückkehr als Trainerin werde es nicht geben. „Steffi hat mit dem Tennis abgeschlos­sen.“Anders als Boris Becker, der „Head of Ten- nis“beim Deutschen Tennis-Bund (DTB) ist. Hofsäss begrüßt das. Denn Becker wisse, wie man mit Spielern umgehen müsse.

Um nach ganz oben zu kommen, sagt Hofsäss, müsse ein Spieler auf alles verzichten können, was nicht mit Tennis zu tun hat. Becker und Graf habe der hundertpro­zentige Fokus ausgezeich­net, „nicht nur über Wochen und Monate, sondern über Jahre“. Boris Becker habe mit offenen Wunden am Fuß gespielt. Steffi Graf sei beim Fed Cup in Prag einmal eine Metallstre­be auf den Fuß gefallen. Ihr Zeh sei lädiert gewesen. „Ein paar Stunden später kam sie mit Gips aus dem Krankenhau­s und wollte spielen“, erinnert sich Hofsäss. Diese Leidensfäh­igkeit und pure Gier nach dem Spiel, vermisse er bei den deutschen Profis. „Die deutschen Spieler sind keine Beckers.“

Seit gestern können sie das Gegenteil beweisen. Die Australian Open sind angelaufen. Beim GrandSlam-Turnier in Melbourne ist kein Deutscher Favorit. Julia Görges geht als Nummer 14 ins Rennen. Angelique Kerber ist als Nummer 21 gesetzt. Hofsäss traut beiden viel zu. „Görges hat Konstanz in ihr Spiel bekommen, das ist wichtig.“Auch Kerbers Zenit sei lange nicht erreicht. Aber: „Wer in der Weltspitze angekommen ist, muss noch mehr Disziplin, noch mehr Fokus haben.“In der Herren-Konkurrenz sieht er große Chancen für Deutschlan­ds Tennishoff­nung Alexander Zverev (20): „Zverev kann die Australian Open gewinnen.“Die derzeitige Nummer vier der Welt sei in Schlagdist­anz zu den Besten. Hofsäss muss es wissen. Er kennt Zverev, seit der ein kleiner Junge war.

Als Kinder seien Alexander und sein großer Bruder Mischa immer in den Ferien hergekomme­n. Im kleinen Swimming-Pool im Erdgeschos­s der Akademie, „da hat Alexander schwimmen gelernt“, erzählt Hofsäss. Ihm habe er die Gier nach Tennis schon damals angesehen. Während der 15-jährige Mischa trainierte, wollte der jüngere Bruder immer mit dabei sein, immer mitspielen. Völlig besessen sei er gewesen. Genau das, was man nach Hofsäss‘ Philosophi­e braucht, um im Tennis ein ganz Großer zu werden.

Und die Karriere des 69-Jährigen? Solange er noch gesundheit­lich in der Lage sei, wolle er nicht aufhören. Die Akademie sei in einem guten Zustand. Vier Trainer arbeiteten hier auf neun Tenniscour­ts. Ob er je wieder eine Nummer eins der Welt formen kann, das wisse er nicht. Viel Glück gehöre dazu, jemanden an die Spitze zu führen. Das deutsche Tennis aber wird nach seiner Meinung wieder auf die Beine kommen: „Deutschlan­d gehört auf jeden Fall zu den Top vier, fünf Nationen im Tennis. Ich denke, dass wir in naher Zukunft sogar die Nummer eins im Herren-Tennis stellen.“

 ?? FOTO: J. BALLEER ?? „Die deutschen Spieler sind keine Beckers“, sagt Klaus Hofsäss über die heutige Tennis-Generation. Seine Akademie in Marbella gründete er 1984.
FOTO: J. BALLEER „Die deutschen Spieler sind keine Beckers“, sagt Klaus Hofsäss über die heutige Tennis-Generation. Seine Akademie in Marbella gründete er 1984.

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