Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Der Megatrend: Die Einäscherung
Auch das Bestattungsgewerbe kennt Trends. Aber nicht alle davon sind nachhaltig.
(rps) Ein Trend bezeichnet, wissenschaftlich gesprochen, eine Veränderungen oder eine sich entwickelnde neue Strömung in allen Bereichen der Gesellschaft. Manche Trends entwickeln sich zu Megatrends, beispielsweise die alternde Gesellschaft, andere wiederum, insbesondere Verbrauchertrends, stellen sich als nicht sonderlich langlebig heraus und verschwinden schnell wieder.
Die Bestattung von Verstorbenen ist ein fundamentaler Bestandteil der Gesellschaftsstruktur und der Kultur. „Menschliche Kultur beginnt dort, wo Menschen ihre Toten nicht auf freiem Feld liegen lassen. Dort, wo Menschen Tote zur Erde bestatten oder verbrennen und einen Stein des Gedenkens aufstellen, dort beginnt Kultur“, sagt der Geschäftsführer des Kuratoriums Deutsche Bestattungskultur, Oliver Wirthmann. Und weil die Bestattungskultur zur Gesellschaft im Allgemeinen gehört, ist auch sie Veränderun- gen unterworfen – will heißen, auch das Bestattungsgewerbe kennt Trends.
Es sei aber Vorsicht geboten, grundsätzlich von Trends zu sprechen, warnt Oliver Wirthmann. „Viele vermeintliche Bestattungstrends sind eher Events oder außergewöhnliche Formen, die von bestimmten Gruppen mit eigenen wirtschaftlichen Interessen zu wirklichen Trends hochstilisiert werden“, sagt der Theologe und Trauerexperte.
Formen wie Diamantbestattungen beispielsweise, bei denen aus der Asche ein Diamant gepresst wird, seien keine Bestattungstrends. „Es ist eine Form, mit der Asche eines Verstorbenen umzugehen. Aber letztlich wird der Verstorbene ja nicht einmal bestattet.“
Als Megatrend identifiziert Wirthmann die Einäscherung (Kremation) von Verstorbenen. Der Anteil an Feuerbestattungen war 2011 erstmals auf 50 Prozent gestiegen und wird, so Wirthmanns Einschätzung, in den kommenden Jahren um jeweils 0,8 Prozent zulegen und dann bei etwa 60 Prozent seinen (vorläufigen) Sättigungsgrad erreicht haben. Parallel dazu nimmt die Erdbestattung ab.
Aus dem Megatrend Einäscherung ergeben sich weitere Möglichkeiten der Bestattungsgestaltung. Das nennt Wirthmann „Multi-Optionali- tät“. Eine Option, die sich aus der Kremation ergibt, ist die Baumbestattung. Bei dieser wird die Asche des Verstorbenen in einer biologisch abbaubaren Urne direkt an der Wurzel des Baumes beigesetzt. Der Baum übernimmt die Funktion des herkömmlichen Grabes, und die Natur kümmert sich um die Grabpflege. In anderen Ländern ist es möglich, die Asche an der Wurzel des Baumes zu verstreuen, weshalb manche Bestatter eine Überführung ins benachbarte Ausland anbieten.
Für Oliver Wirthmann ist die Bestattungskultur Spiegelbild einer gesellschaftlichen Lebensäußerung und des Selbstverständnisses – deshalb ist auch in diesem Bereich ein grundsätzlicher Wandel gegeben, der Trends hervorbringt. Beispielsweise äußere sich die gesellschaftliche und soziologische Mobilität der Menschen in einem Wandel der Riten und Gebräuche und des ästhetischen Empfindens. Menschen seien heute offener für die individuelle und bisweilen willkürliche Vermischung verschiedener Weltbilder, und so würden Christentum, Naturglaube und Co. immer öfter bunt zusammengewürfelt.