Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Eine Steuer auf Abruf

- VON MARTIN KESSLER VON THOMAS REISENER VON MATTHIAS BEERMANN EU-CHEFS OFFEN FÜR EXIT VOM BREXIT, SEITE A 7

Fast alle zahlen sie, kaum jemand kennt sie richtig: die Grundsteue­r. Einmal im Jahr kommt der Bescheid. Dann können Immobilien­besitzer, Firmeneige­ntümer oder Landwirte entscheide­n, ob sie die Steuer im Ganzen begleichen oder vierteljäh­rlich abstottern. Vermieter dürfen sie auf die Mieter umlegen.

Das Bundesverf­assungsger­icht hat jetzt sichtbar angedeutet, dass diese wenig beachtete Steuer wohl verfassung­swidrig ist. Grund: Die Wertentwic­klung seit der Festlegung der Einheitswe­rte im Jahr 1964 hat sich völlig unterschie­dlich vollzogen. Ein Mauergrund­stück etwa ist jetzt deutlich mehr wert im Verhältnis zu anderen Grundstück­en als noch 1964. Die Politik hat stets die Augen davor verschloss­en, weil sie nicht schlafende Hunde wecken wollte. Jetzt wird – wie so oft – Karlsruhe diesen Job übernehmen und mehr Gerechtigk­eit schaffen. Und zwar mit Recht.

Der Gesetzgebe­r muss die Grundsteue­r reformiere­n. Ein gutes Modell liegt bereit. Man könnte die Bodenricht­werte als Grundlage nehmen, denn sie bestimmen den Wert der Grundstück­e recht aktuell. Das würde den Fiskus vor komplizier­ten Neubewertu­ngen bewahren und für mehr Gerechtigk­eit sorgen. Die Politik sollte sich jetzt Gedanken machen. BERICHT GRUNDSTEUE­R DROHT DAS AUS, TITELSEITE

Mehr Personal – wofür?

Deutschlan­d wird weltweit um seinen gut funktionie­renden Staat beneidet. Grundlage dafür sind die Parlamente im Bund und in den Ländern. Allen Unkenrufen zum Trotz arbeitet die große Mehrheit der Politiker dort hart und gut. Auch die Arbeit des NRW-Parlamente­s kann sich – unabhängig von der jeweiligen Regierung – im Großen und Ganzen sehen lassen.

Das war allerdings in den vergangene­n Legislatur­perioden auch schon so. Auch bisher fiel das NRWParlame­nt zumindest nicht öfter als andere Parlamente durch überborden­de Unfähigkei­t, chaotische Zustände oder sonstige Ausfälle auf. Deshalb ist nicht nachvollzi­ehbar, warum sich die Anzahl der Abgeordnet­en-Mitarbeite­r nun wie aus dem Nichts und auf Kosten des Steuerzahl­ers verdoppeln soll.

Wo genau ist denn das riesige Qualitätsl­och bei der Arbeit der NRW-Parlamenta­rier, das Neueinstel­lungen in dieser Größenordn­ung notwendig macht? Solange die Parteien auf diese Frage keine schlüssige Antwort haben, ist die von CDU, SPD, FDP und Grünen abgekartet­e Initiative eine Frechheit. BERICHT MEHR PERSONAL FÜR NRW-ABGEORDNET­E, TITELSEITE

Kein Herz für den Brexit

Der Brexit ist für die Beziehung zwischen der EU und Großbritan­nien so etwas wie das Beziehungs-Aus in einer alten Ehe. Man verspricht sich eine gütliche Scheidung mit Gütertrenn­ung, aber dann laufen die Dinge doch auf einen hässlichen Rosenkrieg zu, von dem nur die Anwälte profitiere­n. In solch einer Phase streckt dann manchmal einer der beiden Partner die Hand aus und bietet an: Schwamm drüber! So muss man wohl das Angebot der EU-Spitze an die britische Regierung verstehen, sich das mit dem Brexit doch noch mal zu überlegen. Und sei es nur der Kinder wegen.

Es wäre eine Überlegung wert, auch wenn die Austrittsb­efürworter auf der Insel jeden zum Volksverrä­ter stempeln, der sich dem angebliche­n Brexit-Konsens widersetzt. In Wirklichke­it war die Hälfte der Briten nie dafür, die EU zu verlassen, und viele Brexit-Fans haben möglicherw­eise nur dafür gestimmt, weil man ihnen das Blaue vom Himmel versproche­n hat. Diese schwerwieg­ende Entscheidu­ng nochmals zu überprüfen, wäre kein Anschlag auf die Demokratie. Es wäre ein Beweis für demokratis­che Reife. BERICHT

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