Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Eine Steuer auf Abruf
Fast alle zahlen sie, kaum jemand kennt sie richtig: die Grundsteuer. Einmal im Jahr kommt der Bescheid. Dann können Immobilienbesitzer, Firmeneigentümer oder Landwirte entscheiden, ob sie die Steuer im Ganzen begleichen oder vierteljährlich abstottern. Vermieter dürfen sie auf die Mieter umlegen.
Das Bundesverfassungsgericht hat jetzt sichtbar angedeutet, dass diese wenig beachtete Steuer wohl verfassungswidrig ist. Grund: Die Wertentwicklung seit der Festlegung der Einheitswerte im Jahr 1964 hat sich völlig unterschiedlich vollzogen. Ein Mauergrundstück etwa ist jetzt deutlich mehr wert im Verhältnis zu anderen Grundstücken als noch 1964. Die Politik hat stets die Augen davor verschlossen, weil sie nicht schlafende Hunde wecken wollte. Jetzt wird – wie so oft – Karlsruhe diesen Job übernehmen und mehr Gerechtigkeit schaffen. Und zwar mit Recht.
Der Gesetzgeber muss die Grundsteuer reformieren. Ein gutes Modell liegt bereit. Man könnte die Bodenrichtwerte als Grundlage nehmen, denn sie bestimmen den Wert der Grundstücke recht aktuell. Das würde den Fiskus vor komplizierten Neubewertungen bewahren und für mehr Gerechtigkeit sorgen. Die Politik sollte sich jetzt Gedanken machen. BERICHT GRUNDSTEUER DROHT DAS AUS, TITELSEITE
Mehr Personal – wofür?
Deutschland wird weltweit um seinen gut funktionierenden Staat beneidet. Grundlage dafür sind die Parlamente im Bund und in den Ländern. Allen Unkenrufen zum Trotz arbeitet die große Mehrheit der Politiker dort hart und gut. Auch die Arbeit des NRW-Parlamentes kann sich – unabhängig von der jeweiligen Regierung – im Großen und Ganzen sehen lassen.
Das war allerdings in den vergangenen Legislaturperioden auch schon so. Auch bisher fiel das NRWParlament zumindest nicht öfter als andere Parlamente durch überbordende Unfähigkeit, chaotische Zustände oder sonstige Ausfälle auf. Deshalb ist nicht nachvollziehbar, warum sich die Anzahl der Abgeordneten-Mitarbeiter nun wie aus dem Nichts und auf Kosten des Steuerzahlers verdoppeln soll.
Wo genau ist denn das riesige Qualitätsloch bei der Arbeit der NRW-Parlamentarier, das Neueinstellungen in dieser Größenordnung notwendig macht? Solange die Parteien auf diese Frage keine schlüssige Antwort haben, ist die von CDU, SPD, FDP und Grünen abgekartete Initiative eine Frechheit. BERICHT MEHR PERSONAL FÜR NRW-ABGEORDNETE, TITELSEITE
Kein Herz für den Brexit
Der Brexit ist für die Beziehung zwischen der EU und Großbritannien so etwas wie das Beziehungs-Aus in einer alten Ehe. Man verspricht sich eine gütliche Scheidung mit Gütertrennung, aber dann laufen die Dinge doch auf einen hässlichen Rosenkrieg zu, von dem nur die Anwälte profitieren. In solch einer Phase streckt dann manchmal einer der beiden Partner die Hand aus und bietet an: Schwamm drüber! So muss man wohl das Angebot der EU-Spitze an die britische Regierung verstehen, sich das mit dem Brexit doch noch mal zu überlegen. Und sei es nur der Kinder wegen.
Es wäre eine Überlegung wert, auch wenn die Austrittsbefürworter auf der Insel jeden zum Volksverräter stempeln, der sich dem angeblichen Brexit-Konsens widersetzt. In Wirklichkeit war die Hälfte der Briten nie dafür, die EU zu verlassen, und viele Brexit-Fans haben möglicherweise nur dafür gestimmt, weil man ihnen das Blaue vom Himmel versprochen hat. Diese schwerwiegende Entscheidung nochmals zu überprüfen, wäre kein Anschlag auf die Demokratie. Es wäre ein Beweis für demokratische Reife. BERICHT