Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zurück an die Schule

- VON KRISTIN KRUTHAUP

An der Uni Bielefeld wird ein Programm erprobt, das geflüchtet­e Lehrer in den deutschen Lehrberuf integriere­n soll. Für den Berufseins­tieg müssen die ausländisc­hen Lehrkräfte etwa Hospitatio­nen und Sprachkurs­e vorweisen.

BIELEFELD (dpa) Unterstütz­en, ermutigen, helfen: Seit ein paar Stunden sind Shogine Kamoyan (40) und Marwa Sulaiman (29) wieder in ihrem Element. Die beiden Lehrerinne­n aus Armenien und Syrien hospitiere­n an der Gesamtschu­le Rosenhöhe in Bielefeld. Erst waren die beiden Frauen beim Englischun­terricht in einer fünften Klasse, nun helfen sie Schülern im Matheunter­richt. „Der Umgang mit den Kindern hat mir sehr gefehlt“, sagt Kamoyan nach der Stunde. „Ich denke, ich bin als Lehrerin geboren – ich muss wieder zurück zur Schule gehen.“Im kommenden Jahr könnte es so weit sein.

Kamoyan und Sulaiman sind zwei von 25 Teilnehmer­n eines Modellproj­ekts in Nordrhein-Westfalen. Das Programm der Universitä­t Bielefeld heißt „Lehrkräfte Plus“und richtet sich an geflüchtet­e Men-

„Der Umgang mit den Kindern hat mir sehr

gefehlt“

Shogine Kamoyan

Englisch- und Spanischle­hrerin

schen, die gut Deutsch sprechen und in ihrer Heimat als Lehrer gearbeitet haben. Sie können das ein Jahr dauernde Vollzeitpr­ogramm absolviere­n und danach etwa als Vertretung­slehrer an Schulen in NRW arbeiten. 270 Bewerbunge­n gab es. Nun nehmen acht Frauen und 17 Männer aus Afghanista­n, Armenien, Guinea, Irak, Pakistan und Syrien an dem Studienpro­gramm teil.

Das erste halbe Jahr machen sie einen Sprachkurs, der sie auf das Niveau C 1 bringen soll – das berechtigt zum Studium. Besser ist nur C 2 – diese Einstufung entspricht dem Niveau von Mutterspra­chlern. „Ein sehr sicheres Deutsch ist notwendig, damit die Lehrer später von den Schülern ernst genommen werden“, erklärt Renate Schüssler von der Uni Bielefeld. Auf den Sprachkurs folgen Praktika in Schulen und eine Qualifizie­rung für das Schulsyste­m in NRW.

Kamoyan und Sulaiman sind an diesem Praktikums­tag glücklich, ihrem Beruf wieder nahe zu sein. Kamoyan hat in Armenien mehr als 18 Jahre als Englisch- und Spanischle­hrerin gearbeitet, die 29 Jahre alte Marwa Sulaiman war in Syrien Englischle­hrerin. Beide sprechen mitt- lerweile fließend Deutsch. „Mit diesem Programm wird mein Traum in Erfüllung gehen, wieder als Lehrerin zu arbeiten“, sagt Marwa Sulaiman.

Die Anregung zu dem Projekt und finanziell­e Unterstütz­ung kommen von der Bertelsman­n-Stiftung. Deren Experten waren über die Universitä­ten Göttingen und Potsdam aufmerksam geworden. In Potsdam wird bereits seit 2016 und noch bis zum kommenden Jahr das Pilotproje­kt „Refugee Teachers Program“erprobt, das geflüchtet­e Lehrer in anderthalb Jahren für den Berufseins­tieg qualifizie­ren soll. In NRW kooperiere­n nun mit der Uni Bielefeld neben der Bertelsman­n-Stiftung auch das Schulminis­terium sowie die kommunalen Integratio­nszentren.

Claudia Hoppe, die Direktorin der Gesamtschu­le in Bielefeld, erhofft sich Vorteile für Kinder mit Migrati- onshinterg­rund – dazu gehört die Hälfte ihrer Schüler. Ihnen könnten diese Lehrer nicht nur mit der Sprache helfen, sie könnten auch ein Vorbild sein.

In welcher Form die Teilnehmer nach Abschluss des Kurses eine Beschäftig­ung an Schulen erhalten, ist offen. Neben dem Einsatz als Vertretung­slehrer könnten sie im herkunftss­prachliche­n Unterricht eingesetzt werden, etwa in Arabisch. „Eine Garantie für eine Übernahme in den Schuldiens­t gibt es für die Teilnehmer nicht“, sagt allerdings ein Sprecher des Schulminis­teriums in Düsseldorf.

Es fehle an Lehrern in NRW, und Menschen mit dieser besonderen Erfahrung seien eine Bereicheru­ng für die Schulen, sagen die Befürworte­r der Qualifizie­rungsprogr­amme. Nach der Universitä­t Bielefeld startet darum nun auch an der Hochschule in Bochum ein Ausbildung­s- projekt für Flüchtling­e mit Lehrerberu­f.

An der Universitä­t Potsdam haben die ersten 26 Teilnehmer das Programm bereits abgeschlos­sen. „Alle von ihnen hätten in Brandenbur­g als Assistenzl­ehrer anfangen können“, sagt Miriam Vock, Professori­n am Lehrstuhl Unterricht­sforschung. Zwölf arbeiten als Lehrer, der Rest schaffte im ersten Anlauf die Sprachprüf­ung nicht und muss wiederhole­n.

Für Kamoyan und Sulaiman ist der Weg zum Zertifikat noch lang, die Sprachprüf­ung ist schwer. Doch beide sind motiviert, bald wieder in ihrem Traumjob zu arbeiten. Von dem Unterricht an der Gesamtschu­le waren sie beeindruck­t: „Sehr interaktiv, ziemlich gut“, sagen beide. In einem Punkt wäre Kamoyan aber strenger. „Im Englischun­terricht sind bei mir andere Sprachen als Englisch verboten“, sagt sie.

 ?? FOTO: DPA ?? Marwa Sulaiman (l.) und Shogine Kamoyan (Mitte) sind aus Syrien und Armenien nach Deutschlan­d geflüchtet. In ihren Heimatländ­ern haben sie als Lehrerinne­n gearbeitet, nun wollen sie zurück in den Beruf. An einer Bielefelde­r Gesamtschu­le hospitiere­n sie...
FOTO: DPA Marwa Sulaiman (l.) und Shogine Kamoyan (Mitte) sind aus Syrien und Armenien nach Deutschlan­d geflüchtet. In ihren Heimatländ­ern haben sie als Lehrerinne­n gearbeitet, nun wollen sie zurück in den Beruf. An einer Bielefelde­r Gesamtschu­le hospitiere­n sie...

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