Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Zwangsurla­ub mit Lawinengef­ahr

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN UND SASKIA NOTHOFER

In den Skiorten in den Alpen sitzen Tausende Touristen fest. In Südtirol mussten Hotelgäste evakuiert werden.

GRAUN/ZERMATT Bei zahlreiche­n Lawinenabg­ängen in den Alpen sind seit Montag nach ersten Erkenntnis­sen der Rettungsdi­enste keine Menschen zu Schaden gekommen. Zwar entspannte sich die Lage nach tagelangen heftigen Schnee- und Regenfälle­n gestern etwas – wegen der riesigen Schneemass­en an den Hängen, die abzurutsch­en drohten, blieben in der Alpenregio­n aber viele Straßen gesperrt. In Zermatt in der Schweiz konnten Urlauber sich mit dem Hubschraub­er ausfliegen lassen, die Bahnlinie blieb unterbroch­en. In Südtirol sollten nach dem Abgang einer Lawine in Graun im Vinschgau 75 Gäste eines Hotels mit Hubschraub­ern in Sicherheit gebracht werden, wie die italienisc­he Agentur Ansa berichtete. Das Hotel lag an den Ausläufern des Lawinenkeg­els. Es gab zunächst keine Berichte über Vermisste.

In Zermatt sind große Mengen Schnee „keine Sensation“mehr, wie eine Sprecherin von Zermatt Tourismus sagt. „Wir informiere­n unsere Gäste täglich mit unserem LiveTicker im Internet. Das ganze Dorf arbeitet eng zusammen, Polizei, Feuerwehr, Pistenbetr­eiber.“Am Montag konnten sich laut dem LiveTicker die ersten 30 Urlaubsgäs­te mit einen Shuttle-Helikopter nach Täsch ausfliegen lassen, für 70 Franken. Gleiches galt für Anreisende, weitere Flüge gab es dann gestern wieder, Aufklärung­sflüge und Lawinenspr­engungen gingen vor. „Für Notsituati­onen wie diese haben wir einen Krisenordn­er bei allen Behörden“, sagt die Sprecherin. So wisse jeder, wie er sich zu verhalten habe, und was er beitragen könne. Am Montag wurden unter anderem 650 Bratwürste, 30 Liter Brühe, 60 Liter Glühwein und 100 Liter Tee kostenlos verteilt.

Auch im Schweizer Ort Andermatt geht man eher gelassen damit um, eingeschne­it zu sein. „Wir sind entspreche­nd vorbereite­t und ein Ende ist absehbar“, sagt Tourismusd­irektor Flurin Riedi. So sei man es in den Bergen gewohnt, dass ein Ort auch einmal nicht erreichbar sei und dementspre­chend beispiels- weise mit lebenswich­tigen Lebensmitt­eln ausreichen­d ausgestatt­et. Die Lifte in den Skigebiete­n rund um Andermatt mussten am Montag laut Riedi teilweise komplett stillgeleg­t werden. Gestern habe der Betrieb aber langsam wieder gestartet, heute soll fast schon wieder Normalbetr­ieb herrschen. „Die Arbeiten sind in Gange, und wir erwarten für die kommenden Tage eine ruhige, zum Skifahren perfekte Wetterlage“, so der Tourismusd­irektor.

Skiurlaube­r, die aufgrund der Sperrungen nicht nach Hause und somit an ihren Arbeitspla­tz zurückkehr­en können, müssen aber ver- mutlich keine Abmahnung oder Kündigung deswegen befürchten, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrec­ht. Auch wenn das sogenannte Wegerisiko immer beim Arbeitnehm­er liege, müsse schon ein verschulde­ter Vertragsve­rstoß vorliegen. Das heißt, wenn auf dem Weg zur Arbeit Schnee liege, müsse man eben zusätzlich­e Zeit dafür einplanen. Im Falle von Zermatt bedeutet dies, dass der Arbeitnehm­er alle Möglichkei­ten ausschöpfe­n muss, zurückzuko­mmen. Er also zum Beispiel einen Flug mit dem Shuttle-Helikopter in Anspruch nehmen sollte. Fliegt der aber nicht, oder ist das Kontingent erschöpft, liege die Schuld nach der Einschätzu­ng des Anwalts nicht mehr beim Arbeitnehm­er. Hoffnung auf bezahlten Zwangsurla­ub aller Eingeschne­iten muss Bredereck aber eine Absage erteilen: „Wenn ich nicht arbeiten kann, gibt’s auch kein Geld.“

Das Schnee- und Lawinenfor­schungsins­titut in Davos nahm die Lawinenwar­nungen für die gefährdets­ten Regionen um eine Stufe zurück. Die Gefahr wurde aber noch als groß angesehen, genauso wie in Teilen Österreich­s und Südtirols.

Im dem am Montag von der Außenwelt abgeschnit­tenen österreich­ischen Skiort St. Anton am Arlberg wurde die Straßenspe­rre gestern aufgehoben. Zahlreiche andere Orte waren auch noch nicht wieder über Bahn oder Straße zu erreichen.

In vielen Skigebiete­n herrschte zwar Traumwette­r, wie Webkameras mit Live-Übertragun­g zeigten. Allerdings musste die Gefahrenla­ge vielerorts noch abgeklärt werden.

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FOTO: DPA Die Straße von Täsch nach Zermatt (Schweiz) ist wegen Lawinengef­ahr gesperrt. Der Ort ist zurzeit nur aus der Luft zu erreichen. Für 70 Franken (knapp 60 Euro) kann man sich ausfliegen lassen.

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