Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Abba aus der Hölle

- VON PHILIPP HOLSTEIN

Die Band Propaganda veröffentl­ichte eines der besten Alben der 1980er Jahre. Nun wird es mit einer Luxus-Edition gewürdigt.

Es war 1982, da hatte Ralf Dörper eine Idee. Er wollte Musik machen, die nicht bloß gut klingen, sondern auch super aussehen sollte – „irgendwie nordisch“, um genau zu sein. Dörper notierte sich ein paar Stichworte: „Weimar“, „Film“, „Expression­ismus“. Dann nahm er mit Andreas Thein und Susanne Freytag ein Lied auf, eine Coverversi­on des Titels „Discipline“der britischen Industrial-Brutalos Throbbing Gristle. Er sandte das Stück an einen Journalist­en des damals maßgeblich­en Magazins „New Musical Express“in London und hoffte auf die Sensation. Der Journalist antwortete bald: Er riet ihm, mit der Veröffentl­ichung zu warten. Dörper hielt sich dran. Zwei Jahre später war er ein Popstar.

Gerade ist eines der besten Alben der Düsseldorf­er Musikgesch­ichte in einer Luxus-Ausgabe erschienen. 33 Jahre nach Veröffentl­ichung wird „A Secret Wish“von Propaganda mit einer Neuauflage in der Reihe „Art Of The Album“gewürdigt. Man muss sich die Platte noch einmal anhören, Titel wie „Dr. Mabuse“, „P:Machinery“und vor allem das herrliche Stück Pop namens „Duel“. Man wird erstaunt sein, wie frisch diese Musik anmutet, die zuletzt von vielen jüngeren Künstlern als Einfluss genannt wurde. Im 34 Seiten langen Begleit-Essay zur Ausgabe nennt der Musikjourn­alist Ian Peel die Erben dieses Sounds: Lana Del Rey, Ellie Goulding, FKA Twigs, Marina & The Diamonds.

Dabei ist dem Zufall zu verdanken, dass es dieses Album überhaupt gibt. Jener englische Journalist, dem Ralf Dörper einst seine Aufnahme zugeschick­t hatte, fand das Stück nicht schlecht, im Gegenteil: Er empfahl Dörper seinem ExKollegen Paul Morley, der soeben mit der Produzente­n-Legende Trevor Horn (Grace Jones, ABC, Lisa Stansfield) eine neue Plattenfir­ma, ZTT, gründete. Dörper holte Claudia Brücken und Michael Mertens ins Boot, sie nannten sich Propaganda, und sie waren die zweite Band, die ZTT unter Vertrag nahm. Die erste war Frankie Goes To Hollywood. Andreas Thein verließ Propaganda bald, und als 1984 deren erste Single „Dr. Mabuse“herauskam und in England zum Hit und in Deutschlan­d zum Super-Hit wurde, erschienen Zeitungsar­tikel mit diesen Überschrif­ten: „Abba aus der Hölle“, „Die Programmie­rer des Grauens“. Fritz Lang, Giorgio Moroder und Edgar Allan Poe wurden als Ahnen dieser düsteren und zugleich vorwärtsge­richteten Musik herausgear­beitet. Das war Avantgarde mit Pop-Appeal, die Kreuzung von Wham! und „Metropolis“.

Propaganda war erfolgreic­h, das Problem war aber, dass die Kollegen Frankie Goes To Hollywood noch viel erfolgreic­her waren. Das Skandal-Lied „Relax“hielt die ganze Welt in Atem, die junge Plattenfir­ma konzentrie­rte sich ganz auf dessen Vermarktun­g, da blieb kaum Zeit für Propaganda. Es dauerte dann auch bis zum nächsten Jahr, bis die Nachfolge-Singles „Duel“und „P:Machinery“erschienen. Und schließlic­h auch das Album „A Secret Wish“.

In der Band gab es Spannungen. Claudia Brücken hatte eine Beziehung mit ZTT-Mitinhaber Paul Morley begonnen, und obwohl es Goldene Schallplat­ten regnete, etwa für einen Nummer-eins-Hit in Spanien, floß kaum Geld. „Der Vertrag von Propaganda war auf 60er-Jahre-Ni- veau“, so Dörper. Außerdem gab es Unstimmigk­eiten mit Trevor Horn, der der Band laut Dörper das Studioequi­pment vermietete und dafür so viel Geld nahm, dass sie sich von jedem gemieteten Synthesize­r drei eigene Exemplare hätte kaufen können. Brücken verließ die Gruppe, die mit neuer Sängerin zu Virgin wechselte und ihr wenig beachtetes zweites Album veröffentl­ichte.

Wirtschaft­lich sei Propaganda fern von dem gewesen, was man erleben wolle, sagt Dörper, der später als Analyst bei der WestLB arbeitete und heute Mitglied der Band Die Krupps ist. Unter dem Pseudonym Rififi veröffentl­ichte er 1989 den Top-20-Hit „Dr. Acid & Mr. House“, der sei einträglic­her gewesen als die gesamte Zeit bei Propaganda. Immerhin wurden die Streitigke­iten so weit beigelegt, dass die Band 2004 beim Benefizkon­zert des „Prince’s Trust“von Prinz Charles im Wembley Stadium auftreten konnte.

Trotz allem: „Propaganda hat jeden von uns auf eine andere Plattform gehoben“, sagt Dörper. Die Erfahrung habe das Leben aller Beteiligte­n verändert. Er zumindest wirkt ziemlich glücklich. Was vielleicht auch daran liegt, dass er auf dem Cover der Neuauflage von „A Secret Wish“erstmals in 30 Jahren nicht mehr als Dorper ausgewiese­n wird. Dörper hat seine Ö-Punkte zurück.

Schon schön.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany