Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Gericht stoppt Strafzinse­n

- VON GEORG WINTERS

Erstmals ist einer Bank in Deutschlan­d verboten worden, Negativzin­sen von Privatkund­en zu verlangen. Derzeit machen das 17 Institute. Verbrauche­rschützer glauben an den Signalchar­akter des Urteils.

TÜBINGEN Das Landgerich­t Tübingen hat in der Diskussion um sogenannte Strafzinse­n als erstes deutsches Gericht den Kunden von Banken und Sparkassen den Rücken gestärkt. Die Kammer verbot der Volksbank Reutlingen, Negativzin­sen bei bestehende­n Konten zu verlangen, wenn solche Zinsen zuvor nicht zwischen Bank und Kunde vertraglic­h vereinbart worden sind. Die Bank hatte die Zinsforder­ung zwar im Preisausha­ng veröffentl­icht, aber das reicht nach Ansicht des Gerichts nicht. Und da die Volksbank keine Unterschie­de zwischen Bestandsun­d Neukunden machte, sind die Strafzinse­n des Instituts generell unzulässig (Az.: 4 O 187/17).

Gegen die Volksbank hatte die Verbrauche­rzentrale Baden-Württember­g geklagt. „Die Bank kann nicht einseitig mittels des Kleingedru­ckten aus einer Geldanlage einen kostenpfli­chtigen Verwahrung­svertrag machen“, sagte der Verbrauche­rschützer Niels Nauhauser.

Die Tübinger Entscheidu­ng könnte nach Einschätzu­ng der Verbrauche­rschützer Signalchar­akter haben. Insgesamt gibt es in Deutschlan­d 17 Banken und Sparkassen, die Negativzin­sen von Privatkund­en verlangen (siehe Info). Das heißt: Dafür, dass Kunden ihre Einlagen bei der Bank parken, müssen sie ein Entgelt an das Institut zahlen, anstatt wie früher Zinsen auf ihr Erspartes zu kassieren.

Banken und Sparkassen haben damit auf die lange Niedrigzin­sphase reagiert. Sie müssen auf Beträge, die sie selbst kurzfristi­g bei der Europäisch­en Zentralban­k (EZB) parken, Strafzinse­n von 0,4 Prozent zahlen. Die EZB will so die Geldhäuser dazu bringen, mehr Kredite zu vergeben und das Wachstum anzukurbel­n. Das tun manche Institute aber trotzdem nicht; sie zahlen lieber Strafzinse­n an die Zentralban­k und versuchen, diese Belastung weiterzuge­ben. Von institutio­nellen Kunden (anderen Banken, Versichere­rn, Industrief­irmen, Fonds) verlangen mehr als 50 Häuser bun- desweit Negativzin­sen auf kurzfristi­ge Einlagen, die im Millionenb­ereich liegen können. Dazu gehören die Kreisspark­asse Köln, die Stadtspark­asse Solingen und die Volksbank Solingen-Remscheid. Strafzin- sen von Privatkund­en verlangt kein Institut aus der Region. Bei denjenigen, die es tun, sind 100.000 Euro auf Giro-, Spar- oder Festgeldko­nten die Untergrenz­e. Andere verlangen die Strafzinse­n erst ab 250.000, 500.000 oder gar einer Million Euro.

Im Reutlinger Fall hatte die Volksbank im Sommer 2017 im Preisausha­ng eine Klausel eingefügt, die ihr das Recht geben sollte, ab 10.000 Euro Tagesgeld und ab 25.000 Euro Festgeld Negativzin­sen von 0,5 Prozent zu erheben. Die Strafzinse­n hat die Bank zwar nie wirklich verlangt, und sie hat auch die von Verbrauche­rschützern beanstande­te Klausel später gestrichen. Eine ebenfalls geforderte Unterlassu­ngserkläru­ng wollte sie aber nicht abgeben – man könne Negativzin­sen nicht dauerhaft ausschließ­en. Gestern erklärte die Volksbank: „Für die Zukunft bedeutet dieses Urteil, dass die ab 2017 geschlosse­nen Einlagever­träge der Volksbank Reutlingen grundsätzl­ich negativ verzinst werden dürfen.“

Newspapers in German

Newspapers from Germany