Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Kurz und schmerzhaf­t

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

CDU und CSU können die Groko-Verhandlun­gen nicht schnell genug gehen. Die SPD-Spitze steht auf der Bremse: Sie zittert vor der Basis.

BERLIN Man stelle sich Martin Schulz als Konditorme­ister vor, der die Torte seines Lebens herstellt. Er hat viele Genossen nach dem richtigen Rezept gefragt, aus eigener Erfahrung geschöpft und dekoriert reichlich Sahne, viel Marzipan und bunten Zuckerguss. Doch wesentlich­e Teile seiner Parteibasi­s sagen: Wir mögen gar keine Torten.

Damit ist die Lage in der SPD beschriebe­n. „Wir hätten den Sozialismu­s ausrufen können, die Jusos hätten dem Sondierung­spapier dennoch nicht zugestimmt. Die wollen keine große Koalition, egal mit welchen Inhalten“, stöhnte ein führendes SPD-Mitglied in der vergangene­n Woche. Der Parteitag zeigte dann: Nicht nur die Jusos ticken so, auch viele andere Sozialdemo­kraten lehnen die Fortsetzun­g des Regierungs­bündnisses mit der Union ab. Nun will die Parteiführ­ung in kurzen und konzentrie­rten Koalitions­verhandlun­gen doch noch beweisen, dass sich eine Regierungs­beteiligun­g der SPD lohnt.

Doch über allem schwebt das Damoklessc­hwert des SPD-Mitglieder­entscheids. Ob die mehr als 440.000 Genossen damit am Ende den fertigen Koalitions­vertrag zertrümmer­n, hängt eben nur zum Teil von den Verhandlun­gsergebnis­sen ab. Auch die jüngsten Umfragewer­te werden eine wichtige Rolle spielen.

Denn ein Hauptargum­ent der Kritiker einer weiteren großen Koalition ist ja, dass die SPD als erneuter Juniorpart­ner dem eigenen Untergang entgegenge­hen würde. Und just zum ersten Tag der Koalitions­verhandlun­gen meldete der ARD„Deutschlan­dtrend“ein erneutes Abrutschen der SPD unter 20 Prozent. Demnach kommen die Sozialdemo­kraten jetzt auf nur noch 19 Prozent, zwei Punkte weniger als vor drei Wochen. Die Union verharrt bei 33 Prozent. Die AfD landet bei zwölf, die Grünen bei elf, Linke und Libe- rale jeweils bei zehn Prozent. Auch in anderen Umfragen war die SPD zuletzt noch einmal abgesackt, kommt teils nur auf 18 Prozent.

Es erscheint paradox, dass ausgerechn­et solche schlechten Nachrichte­n der Kampagne gegen eine große Koalition nützen könnten. In der Parteiführ­ung und in SPD-Verhandler­kreisen ist man daher alarmiert. Dort weiß jeder: Nur die Gesprächse­rgebnisse können jetzt noch kurzfristi­g die Stimmung beeinfluss­en. Die anderen Beweggründ­e, für oder gegen eine große Koalition zu stimmen, sind bereits klar. Etliche Parteimitg­lieder haben längst ihre Entscheidu­ng getroffen, selbst wenn die SPD noch von der Union bekämpfte Projekte wie die Bürgervers­icherung durchsetze­n könnte.

Während das Gesamtproj­ekt große Koalition ohnehin am seidenen Faden hängt, zeigt sich zudem, dass die Verhandler noch reichlich Wegstrecke vor sich haben: in der Flüchtling­spolitik, bei Arbeitsmar­ktfragen, im Gesundheit­swesen.

Ärger gibt es auch bei den Bildungsex­perten: Im Ergebnispa­pier der Sondierung­en heißt es, dass Union und SPD eine Investitio­nsoffensiv­e für Schulen auf den Weg bringen wollen. Zusätzlich zum lau- fenden Schulsanie­rungsprogr­amm sollen die Länder vom Bund Geld für Bildungsin­frastruktu­r, Ganztagssc­hulen oder die Digitalisi­erung bekommen. Umstritten war dabei jedoch immer die Abschaffun­g des sogenannte­n Kooperatio­nsverbots im Grundgeset­z, wonach der Bund solche Geldspritz­en nur befristet und nur an bestimmte Kommunen verteilen darf. Im Sondierung­spapier wiederum hatte man sich geei- nigt. Wörtlich heißt es da: „Dazu werden wir die erforderli­che Rechtsgrun­dlage in Artikel 104c des Grundgeset­zes anpassen (Streichung des Begriffs ,finanzschw­ache‘ in Bezug auf die Kommunen).“

SPD-Fraktionsv­ize Hubertus Heil, Mitglied der Verhandlun­gsgruppe Bildung, findet den Satz eindeutig: „Ein klares Ergebnis der Sondierung­sgespräche ist die Abschaffun­g des Kooperatio­nsverbots in der Bildung.“Der Bund dürfe zukünftig wieder die Bildungsin­frastruktu­r der Länder finanziell unterstütz­en, so wie es schon vor dem Kooperatio­nsverbot 2006 möglich war. „Alles andere ist Augenwisch­erei“, fügte Heil hinzu. In der CSU ist man jedoch völlig anderer Auffassung, was den Satz betrifft. Bayerns Kultusmini­ster Ludwig Spaenle, ebenfalls Mitglied der Verhandlun­gsgruppe, sagt: „Die Kulturhohe­it bleibt bei den Ländern. Die Sondierung­sgespräche haben nicht die Aufhebung eines vermeintli­chen Kooperatio­nsverbots ergeben.“Er verweist darauf, dass es bereits Möglichkei­ten der Kooperatio­n zwischen Bund und Ländern gibt, diese dann aber erweitert werden sollen. Stolperste­ine wie den in der Bildungspo­litik gibt es noch mehr.

Bleibt die Frage, ob ein Verzicht von Martin Schulz auf einen Platz am Kabinettst­isch die Torten-Verweigere­r an der Basis gnädig stimmen könnte. Beim Parteitag gab es Druck auf den SPD-Chef, sein Verspreche­n einzulösen, nicht als Minister in eine Regierung Merkel zu gehen. Im SPD-Vorstand teilen einige Mitglieder die Ansicht, dass sich Schulz ausschließ­lich um die Partei kümmern soll. Laut sagt das kaum einer. Auch diejenigen, die Schulz zu einem Ministeram­t raten, machen dies nicht öffentlich. Vor der Entscheidu­ng der Basis über den Koalitions­vertrag wollen sie die Debatte nicht führen. Im Fall einer Zustimmung wäre der Weg für Schulz ins Kabinett ohnehin frei.

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