Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Trittin geht für Habeck in die Bütt
Der Parteilinke half dabei, Schleswig-Holsteins Umweltminister den Weg an die Parteispitze zu ebnen.
HANNOVER Mit neuen Gesichtern an der Spitze wollen die Grünen die Grundlagen für zweistellige Ergebnisse bei den kommenden Landtagswahlen in Hessen und Bayern und bei der Bundestagswahl 2021 legen. Als Nachfolger von Parteichef Cem Özdemir, der seinen Posten nach zehn Jahren räumt, will sich auf dem Bundesparteitag heute in Hannover der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck bewerben. Zudem konkurrieren zwei Frauen um die Nachfolge von Parteichefin Simone Peter, die nach fünf Jahren ebenfalls nicht wieder antritt: die Brandenburger Bundestagsabgeordnete Annalena Baerbock (37), eine Klima- und Europa-Expertin, die dem moderaten Realo-Flügel zugerechnet wird, sowie Anja Piel (52), Chefin der Landtagsfraktion in Niedersachsen, die dem linken Flügel angehört und einen sozialpolitischen Schwerpunkt setzt.
Vor allem Habeck gilt als Hoffnungsträger für die Erneuerung der Partei in den kommenden Jahren. Dem 48-jährigen politischen Quer- einsteiger und Ex-Schriftsteller trauen viele zu, die Grünen als die nächste linke Volkspartei zu etablieren, die das Erbe der SPD in der linken Mitte antritt. Habeck wird dafür das nötige rhetorische Talent, eine Vision sowie vor allem mediale Strahlkraft zugesprochen.
Allerdings hatte Habeck seiner Partei eine Bedingung gestellt: Er wollte heute nur dann antreten, wenn die Grünen für ihn zuvor ihre Satzung ändern – und ihm eine Übergangszeit von mindestens acht Monaten ermöglichen, in denen er als Parteichef sein Ministeramt in Kiel weiter ausüben kann. Bisher sehen die Grünen-Statuten vor, dass jemand nicht gleichzeitig Bundesvorsitzender und Minister sein kann, um Interessenkollisionen zu vermeiden. Für Habeck sollten die 825 Delegierten am späten Freitagabend eines ihrer Gründungsprinzipien – die Trennung von Amt und Mandat oder, wie in diesem Fall, von Amt und Amt – mit Zwei-DrittelMehrheit ändern. Die Entscheidung fiel gestern erst nach Redaktionsschluss.
Ein erstes Meinungsbild zeigte jedoch, dass die nö- tige Zwei-Drittel-Mehrheit für eine achtmonatige Übergangszeit zustande kommen würde. Ohne diese achtmonatige Übergangszeit wollte Habeck heute nicht kandidieren, wie er zuvor angekündigt hatte. Er zwang der Partei
damit eine Macht- probe auf, die bei vielen Delegierten in Hannover auf Unverständnis stieß.
Um ein Scheitern in der heftig umstrittenen Satzungsfrage zu verhindern, ging auch Jürgen Trittin in die Bütt: Trittin, die graue Eminenz der Parteilinken, wollte für die AchtMonats-Übergangszeit werben – und Habeck damit den Weg an die Parteispitze ebnen. Im Falle des Scheiterns der „Lex Habeck“drohte den Grünen nach dem Jamaika-Aus ein weiteres Fiasko, ein denkbar schlechter Start in die neue Legislaturperiode.