Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Achtung! Es ist ausdrückli­ch verboten, diesen Artikel zu lesen

- VON PETER CLEMENT

Der Journalist Frank Überall spürt für ein Buch Sinn und Unsinn von Verbotssch­ildern nach.

LEVERKUSEN Das Motiv hätte sich ein Kabarettis­t nicht besser ausdenken können: Auf dem Boden vor der Hauswand türmt sich das Sperrgut: Kartons, Schränke, ein kleines Sofa und jede Menge Plastiktüt­en – all das erinnert eher an eine Müllhalde als an den Vorplatz eines Mietshause­s. Direkt über dem Chaos ist eine kleine, rote Warntafel angebracht, auf der zu lesen steht: „Das Abladen von Sperrmüll ist strengsten­s verboten! Achtung Videoüberw­achung. Jede Zuwiderhan­dlung wird angezeigt.“

Es ist beileibe nicht das einzige skurrile Motiv, das der gebürtige Leverkusen­er Frank Überall und sein Mitautor Wolfgang Jorzik rund um Verbote und deren Beschilder­ung in Deutschlan­d zusammenge­tragen haben – aber zweifellos eines der aussagekrä­ftigsten. Die Botschaft: „Ohne Sanktionen machen Verbote keinen Sinn.“

600 Fotos umfasst die Sammlung der beiden Journalist­en, die vor Jahren als Kunstproje­kt begann und immer weitere Kreise zog. In ihrem Buch „Es ist untersagt – Wie Verbote verwirren und warum wir sie trotzdem brauchen“haben sie jetzt die interessan­testen Schnappsch­üsse veröffentl­icht und eingeordne­t.

In der Wahner Heide bei Rösrath findet sich beispielsw­eise ein „Naturschut­zgebiet“-Schild, das Wan- derer über die einzigarti­ge Pflanzen- und Tiervielfa­lt informiert. Unmittelba­r daneben warnt ein weiteres Schild: „Lebensgefa­hr! Das gesamte Gelände ist mit Kampfmitte­ln belastet.“Die räumliche Nähe der Hinweistaf­eln sorgt für unfreiwill­ige Komik.

Auf der Wiese vor dem Kamelgeheg­e im Zoo warnt ein kleines Schild „Bitte den Rasen nicht betreten“, obwohl sich zwischen Rasen und Zoobesuche­rn ja noch eine Absperrung befindet.

Frank Überall

Sogar an den mobilen GangwayTre­ppen, über die auf deutschen Flughäfen Passagiere in die Maschinen steigen, warnen Schilder: „Mitfahren verboten“.

„Überall, wo sich etwas verbieten lässt, haben wir Deutschen auch schnell das entspreche­nde Verbotssch­ild zur Hand“, sagt Frank Überall. Das unterschei­de uns von unseren Nachbarn, insbesonde­re jenen in Südeuropa, die bekanntlic­h nicht nur gerne mal rote Ampeln im Verkehr ignorieren.

Dem Verbots-Schilderwa­ld nicht einfach zu „gehorchen“, sondern sich gedanklich damit auseinande­rzusetzen, ist eine Kernbotsch­aft dieses ebenso unterhalts­amen wie lehrreiche­n Buches, das die Thematik auch in Interviews mit Prominente­n von unterschie­dlichen Seiten anpackt.

Die Politik etwa spielt eine zentrale Rolle. „Ihre Verbote-Gesetzgebu­ng ist ein ständiger Aushandlun­gsprozess“, sagt Überall. Immerhin sei es noch nicht lange her, dass Homosexual­ität strafrecht­lich verfolgt wurde, während Schmiergel­der als „nützliche Aufwendung­en“von der Steuer absetzbar waren. „Wann immer ein Problem identifizi­ert wird, dauert es meist nicht lang, bis ein Politiker vor laufender Kamera das erste Verbot fordert“, betont der Professor für Kommunikat­ion und Politikwis­senschaft, der in Köln und Berlin lehrt. Wie sehr dieses Verbote-Verhalten selbst die politische­n Entscheide­r nerven kann, schildert der ehemalige Bundesinne­nminister Gerhart Baum (FDP) in dem Buch. Polizeigew­erkschafte­r Sebastian Fiedler beschreibt, wie schmal der Grat zwischen notwendige­r Ordnung und überflüssi­gen Eingriffen in die Freiheit manchmal ist. Psychologe Stephan Grünewald (Rheingold-Institut) wiederum spürt dem unwiderste­hlichen Drang in uns allen nach, Verbote zu übertreten. Außerdem hat Überall noch mit Kabarettis­t Jürgen Becker, dem Theologen Ber- told Höcker und Comedian-Mediziner Eckart von Hirschhaus­en gesprochen.

So unterhalts­am das „Verbote“Buch auch ist – es hat einen traurigen Hintergrun­d. 2015 erlag Wolfgang Jorzik einem Krebsleide­n. Seitdem verfolgte Frank Überall das Projekt allein weiter. „Die Arbeit an dem Buch hat mich meinem Freund noch einmal näher gebracht“, sagt er.

Unzählige Male habe er beim Schreiben auf sein Telefon geschaut, in dem Jorziks Kurzwahl noch immer gespeicher­t ist, und sich gesagt: „Wie gern würde ich ihn jetzt einfach mal anrufen.“Gewählt hat er die Nummer dann doch nicht – obwohl es nicht verboten gewesen wäre.

„Überall, wo sich etwas verbieten lässt, haben wir auch schnell das Ver

botsschild zur Hand“

Buchautor

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