Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

INTERVIEW STEFAN EDBERG „Ich bin ein glückliche­r Mensch“

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Sechs Grand-Slam-Titel, zwei olympische Medaillen und zahlreiche Einzelerfo­lge: Stefan Edberg (52) hat in seiner Karriere fast alles erreicht. Der Schwede zählt zu den Legenden des Tennisspor­ts. Wir haben ihn getroffen.

ESSEN Stefan Edberg hat keine Lust mehr auf große Reisen. Wenn es sich irgendwie vermeiden lässt, dann verbringt der 52-Jährige am liebsten die Zeit mit seiner Ehefrau und seinen beiden Kindern auf einem Bauernhof in der Nähe von Växjö im Süden Schwedens. Für seinen Ausrüster Wilson macht er eine Ausnahme. Wir treffen ihn im Tennis Point Essen. Edberg war 72 Wochen die Nummer eins der TennisWelt­rangliste, gewann 42 Titel, von Anfang 2014 bis Ende 2015 war er sogenannte­r Supercoach von Roger Federer. Herr Edberg, Ihr ehemaliger Schützling Roger Federer steht erneut im Finale der Australian Open. Sind sie selbst verwundert, wie lange er sich nun schon in der Weltspitze hält? EDBERG Es ist alles kein Zufall. Roger ist sicher mit einem unfassbar großen Talent gesegnet. Aber er versteht es wie kein Zweiter, sein Spiel immer wieder neu zu erfinden. Vor ein paar Jahren dachten alle, die Wachablösu­ng stünde unmittelba­r bevor. Und? Es ist überhaupt nichts passiert – im vergangene­n Jahr haben Rafael Nadal und Roger alle Grand-Slam-Titel unter

Henrikh Mkhitaryan hat nicht nur einen tollen Namen, bei dessen Eingabe sich mitteleuro­päische Finger auf der Computer-Tastatur gern mal verhaken. Er hat auch sehr anschaulic­he Träume. Neulich mal wieder. „Ich habe immer davon geträumt, für den FC Arsenal zu spielen“, sagte er. Und kaum hatte er das gesagt, da ging der Traum auch schon in Erfüllung. Er wechselte von Manchester United nach London.

Vor anderthalb Jahren zog es ihn von Borussia Dortmund in die schöne weite Premier-League-Welt. „Ein Traum wird wahr“, jubelte der Armenier, „ich wollte immer für Manchester United spielen.“

Im Frühjahr 2013 spielte er noch für Schachtjor Donezk. Und es begab sich nach einem wahrschein­lich anstrengen­den Trainingst­ag, dass Mkhitaryan wieder einmal einen Traum hatte. Den Inhalt verriet er im folgenden Sommer. „Es war ein sich ausgemacht. Und nun hat er wieder die Chance auf einen großen Triumph. Warum war Ihre Zusammenar­beit nach zwei Jahren schon wieder beendet – hatten Sie ihm alles gesagt, was Sie wussten? EDBERG (lacht) Dann hätten wir uns ja schon wieder nach einem Tag trennen müssen. Wissen Sie, wenn man auf einem Level wie Roger spielt, dann geht es nicht um grundsätzl­iche Dinge. Es sind viele kleine Feinheiten. Es geht vor allem um Motivation und Gesundheit. Er suchte damals neue Impulse, brauchte vielleicht eine Stimme, die ihn auf seine Aufgaben vorbereite­t. Es war eine sehr spannende, intensive Zusammenar­beit. Haben Sie noch regelmäßig Kontakt zu Federer? EDBERG Nicht jeden Tag. Wenn es sich ergibt, dann schreiben wir miteinande­r. Aber er hat auf der Tour so viele Leute um sich herum, da braucht er nicht auch noch meine Kommentare. Hat es Sie gar nicht gereizt, weiter als Trainer Traum von mir. Mein Herz hat sich für Borussia Dortmund entschiede­n“, versichert­e er. Dass es dabei nur am Rande auch um traumhafte Verdienstm­öglichkeit­en ging, verriet er erst einmal nicht.

Möglicherw­eise fühlt sich Mkhitaryan als dreifacher Martin Luther King („Ich hatte einen Traum“) des Transferwe­sens. Er sorgt auf jeden Fall für moralische Bestleistu­ngen auf einer nach unten offenen Skala.

Sein ehemaliger Dortmunder Vereinskol­lege Pierre-Emerick Aubameyang steht ihm da wenig nach. Der Gabuner träumt zwar nicht so konkret und öffentlich wie Mkhitaryan, dafür ist er ihm in der Fachabteil­ung „Zickereien, die einen Wechsel provoziere­n“ein deutliches Stück voraus. Seinen (Noch-)Arbeitgebe­rn hat er in der Winterpaus­e und den ersten Wochen der Saison überaus erfolgreic­h den letzten Nerv geraubt. Sie werden ihn ziehen lassen, trotz eines von beiden Seiten zu arbeiten? EDBERG Glauben Sie mir, mein Telefon hat sehr oft geklingelt – und ich habe mir spannende Projekte angehört. Aber am Ende war ich einfach nicht bereit, noch einmal so viel für Tennis zu opfern. Ich war mein ganzes Leben unterwegs, jetzt hat ein neuer Lebensabsc­hnitt begonnen. Ich mache ein wenig Sport, bin im Finanzbere­ich tätig – und verbringe viel Zeit mit meiner Familie. Ich bin ein glückliche­r Mensch. Boris Becker, Ihr ewiger Rivale, hat einen Job beim Deutschen TennisBund (DTB) angenommen. Wäre das nicht auch etwas für Sie in Schweden? Immerhin steht derzeit kein Spieler aus Ihrem Heimatland unter den Top-100. EDBERG Das ist tatsächlic­h eine bedauerlic­he Entwicklun­g. Es hat viel mit fehlenden finanziell­en Mitteln zu tun, dass in Schweden aktuell die Entwicklun­g stagniert. Aber ich wäre wirklich niemand, der in einem Verband Veränderun­gen bewirken könnte. Das ist mir alles viel zu viel Politik. Ich verfolge, was Boris macht. (lacht) Er hat mich damals schon sehr geärgert. Er war ein Wahnsinnig­er auf dem Platz. Aber ich habe ihn bewundert, wie er sich immer wieder angetriebe­n hat. Dadurch hat er auch mich besser gemacht. Wenn es um die Zeit nach Federer geht, dann macht man sich in Deutschlan­d Hoffnung auf einen weiteren Aufstieg von Alexander Zverev. Was trauen Sie ihm zu? EDBERG Sehen Sie, es gibt wirklich ein paar gute Spieler derzeit auf der Tour mit einem enormen Potenzial. einst bis zum Jahr 2021 geschlosse­nen Vertrags. Unterschri­ften unter solche Kontrakte gelten längst nur noch als Vereinbaru­ngen über die mögliche Länge der Zusammenar­beit. Eine Bindung leiten die Spieler daraus nicht mehr ab. Und eine moralische Verpflicht­ung schon gar nicht.

Das wäre ohnehin ein bisschen viel verlangt. Selbst die Dortmunder Funktionär­e, die Aubameyang­s Verhalten zu Recht beklagen, fügen sich den Gesetzen des Unterhaltu­ngsgeschäf­ts. Und wenn die ihnen die Möglichkei­t zum Gewinn verschaffe­n, kennen sie natürlich keine überflüssi­gen Bedenken. So haben sie vor knapp fünf Jahren nicht sehr laut gejammert, als Mkhitaryan­s Traum vom Wechsel zum BVB wahr wurde – obwohl der Spieler in Donezk vertraglic­h noch zwei Jahre gebunden war und ein Trainingsl­ager schwänzte, damit der Arbeitgebe­r in der Ukraine verstand, wie ernst es Es ist schwer zu sagen, wer am Ende das alles mitbringt, um in der Weltspitze mitzuspiel­en. Zverev bringt von der Anlage alles mit. Es wird für ihn ein hartes Jahr, er hat viel zu verteidige­n.

Mkhitaryan oder: Wenn Träume wahr werden

Im Tennis werden händeringe­nd neue Gesichter gesucht, um den Sport global vermarkten zu können. Machen Sie sich Sorgen, wenn es einmal Federer, Nadal und Novak Djokovic nicht mehr auf der Tour gibt? EDBERG Ihre Dominanz ist schon enorm gewesen. Es wird seine Zeit brauchen, bis sich eine neue Generation nach vorne gespielt hat. Aber Tennis ist stark genug, um diesen Wechsel zu verkraften. Die ATP sorgt sich um die Attraktivi­tät des Spiels und experiment­iert am Regelwerk herum. EDBERG Sie sollen ruhig experiment­ieren, dabei dürfen sie aber nicht das Wesentlich­e des Spiels vergessen. Ich verstehe die Motivation, der Zuschauer wünscht sich schnelle Entscheidu­ngen. Aber Tennis lebt eben auch von seiner Tradition. Und da sollte man behutsam vorgehen, wenn man an irgendwelc­hen Schrauben dreht. Wann waren Sie eigentlich das letzte Mal bei Ikea? EDBERG (überlegt lange) Mit der Frage haben Sie mich erwischt. Verdammt, wann war das? Es muss mindestens 20 bis 25 Jahre her sein. Ich kann mich überhaupt nicht daran erinnern, jemals ein Regal aufgebaut zu haben. GIANNI COSTA FÜHRTE DAS GESPRÄCH ihm mit der Erfüllung des Traums war. Die Dortmunder waren damals profession­ell, so muss man das wohl sagen. Und sie sind es heute, diesmal zähneknirs­chend.

Weniger profession­ell verhalten sich die Funktionär­s-Kollegen beim anderen großen Verein aus Westfalen. Die Schalker Führung stellt Leon Goretzka als eine Art Vaterlands­verräter an den Pranger. Dabei hat der es lediglich gewagt, nach Ablauf seines Vertrags mit Schalke zum FC Bayern zu wechseln. Er hat weder gezickt wie Aubameyang noch von Träumen gefaselt wie Mkhitaryan. Das Schalker Management behandelt ihn aber so. Das ist schlechter Stil und scheinheil­ig zugleich. Als Goretzka 2013 aus Bochum kam, hat schließlic­h auch kein Schalker Manager über selbstsüch­tige Karrierepl­äne genölt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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