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Punta Arenas: Am Ende der Welt

- VON ANGELA BÖHM

Geheimnisv­olle Riesen und zerklüftet­e Fjorde – im Jahr 1520 entdeckte Ferdinand Magellan die Verbindung vom Atlantik zum Pazifik. Auf seinen Spuren suchen nun Kreuzfahre­r das Abenteuer.

Eigentlich stammt Cristian Manca von der Sonneninse­l Sardinen. Der Liebe wegen ist er auf dem letzten Zipfel Amerikas gestrandet. Danach kommen nur noch Feuerland und die Antarktis. Hier pfeift unerbittli­ch der patagonisc­he Wind. Die Temperatur­en liegen im Jahresdurc­hschnitt bei sechs Grad. In Punta Arenas, der südlichste­n Großstadt der Welt, hat der Sarde eine neue Leidenscha­ft entdeckt: Sie ist 27 Meter lang, sieben Meter breit, hat drei Masten und war jedem Wetter gewachsen. Eine Nussschale, in der die Männer rund um die Uhr das eindringen­de Wasser schöpfen mussten und dabei Geschichte schrieben.

Gebaut hat sie Juan Matassi mit einem Zimmermann. Zwei Jahre hat der Chilene für sein Meisterwer­k gebraucht. Nach den Originalpl­änen ließ er in seiner Heimatstad­t die „Victoria“auferstehe­n. Sie ist eines der fünf Schiffe, mit denen vor fast 500 Jahren der Portugiese Ferdinand Magellan in Spanien gestartet war, um die Welt zu umrunden. Am 21. Oktober 1520 entdeckte er die nach ihm benannte Meerenge zwischen dem amerikanis­chen Kontinent und Feuerland, die Atlantik und Pazifik verbindet.

Nun liegt die „Victoria“auf dem Trockenen, direkt am Ufer der berühmten Magellanst­raße und hat Zuwachs bekommen: die „Beagle“. Mit dem Forschungs­schiff kreuzten 1830 der englische Kapitän Robert FitzRoy und der junge Naturforsc­her Charles Darwin fast drei Jahre entlang der Küste Südamerika­s.

Alles über die spektakulä­ren Reisen aus der alten in die neue Welt hat Juan Matassi in seinem Schiffsmus­eum „Nao Victoria“gesammelt. Es liegt etwas außerhalb der Stadt. Gemanagt wird es von Cristian Manca. Manchmal führt er persönlich die staunenden Kreuzfahre­r von heute, die mit ihren Meeresgiga­nten auf den Spuren von Magellan und FitzRoy im Hafen anlegen, durch den niedrigen und engen Bauch der „Victoria“. Hautnah ist dort noch immer der Geist der Abenteurer und Entdecker von einst zu spüren.

Magellan war damals lieber nicht an Land gegangen. Wochenlang hatte er nach der sicheren Passage durch die zerklüftet­e Fjordlands­chaft am südlichen Ende des amerikanis­chen Kontinents gesucht. Er trotzte Strömung, Wind und Wellen. Was der Portugiese aber entlang des Ufers sah, war ihm nicht geheuer: Dort stiegen nicht nur Rauchsäule­n in den Himmel. „Eines Tages, als niemand es erwartete, sahen wir am Meer einen völlig nackten Riesen. Er tanzte und sprang und verteilte singend Sand und Staub über seinen Kopf. Er war so groß, dass der größte von uns ihm gerade bis zur Taille reichte. Er war wirklich gut gebaut.“Schockiert beschrieb der Chronist der Expedition, Antonio Pigafetta, die Szene.

Das war kein Seemannsga­rn. Die Spanier und Portugiese­n waren klein, die Ureinwohne­r des fremden Landes dagegen hoch gewachsen. Mit einer Art Schultüte über dem Kopf machten sie sich bei ihren religiösen Zeremonien noch größer. Zu sehen sind die geheimnisv­ollen Riesen heute nur noch auf Postkarten im Souvenirsh­op, wenn die Kreuzfahre­r am Hafen einschiffe­n.

„Land des Rauches“taufte Magellan damals die Gegend, die später zu Feuerland wurde. Heute ist sie Niemandsla­nd. Die Ureinwohne­r wurden von den europäisch­en Siedlern ausgerotte­t. Legitimier­t von Naturforsc­her Darwin. Der bezeichnet­e sie als das „miserabels­te Volk der Erde.“Nur wenige überlebten. Auch ihre Nachfahren sind inzwischen ausgestorb­en.

Zwei besiegte Indianer mit Speer und Bogen in den Hän- den kauern Magellan zu Füßen. Der Entdecker steht breitbeini­g auf einer Kanone. Sein Kopf ist stolz erhoben. Die Hand hat er an seinem Säbel. Das Denkmal auf dem Plaza de Armas mitten in Punta Arenas wurde zum 400. Jahrestag der Magellanst­raße aufgestell­t.

Sie war zu einer der wichtigste­n Handelsstr­aßen der Erde und Punta Arenas, die einstige Strafkolon­ie, zu einer der reichsten Städte geworden. Der kalifornis­che Goldrausch sorgte für Aufschwung. Alle Schiffe mit Auswandere­rn und Glücksritt­ern, welche die Westseite Amerikas zum Ziel hatten, fuhren hier vorbei. Manche blieben. Denn hier lockte das „weiße Gold“. Reichtümer ließen sich in der unendliche­n Pampa Patagonien­s mit Schafen und ihrer Wolle verdienen. Der Wohlstand hielt Einzug – bis der Panamakana­l im Jahr 1914 eröffnet wurde. Und irgendwann die Preise für Schafwolle abstürzten.

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FOTOS (2): ANGELA BÖHM Eine Weltreise hatte die „Victoria“hinter sich, als der Seefahrer Ferdinand Magellan die nach ihm benannte Meerenge zwischen dem amerikanis­chen Kontinent und Feuerland entdeckte. Dieser Nachbau liegt direkt am Ufer der Magellanst­raße.

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