Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Trump möchte „Atombömbch­en“

- VON FRANK HERRMANN

Mit kleinen, taktischen Nuklearwaf­fen wollen die USA Russland abschrecke­n. Kritiker fürchten, dass die Hemmschwel­le für Krieg sinkt.

WASHINGTON Kritiker des US-Präsidente­n sprechen von einem gefährlich­en Irrweg, Befürworte­r von nüchternem Realismus in einer Welt voller Gefahren. Die Vereinigte­n Staaten wollen ihr nukleares Arsenal um Atomwaffen mit geringerer Sprengkraf­t ergänzen, damit nach Logik des Pentagon Rivalen wie Russland oder China auch künftig glaubhaft abgeschrec­kt werden. Es ist das bisher klarste Signal, mit dem Donald Trump abrückt von der Strategie seines Vorgängers Barack Obama, der einst die Vision einer Welt ohne Nuklearwaf­fen beschwor und – zumindest in kleinen Schritten – darauf hinarbeite­te.

US-Verteidigu­ngsministe­r James Mattis begründet den Kurswechse­l mit der Tatsache, dass sowohl Moskau als auch Peking aufrüsten, ihre Kernwaffen modernisie­ren, „sich in die entgegenge­setzte Richtung bewegten“, während die USA ihre Bestände reduziert hätten. Zudem, doziert der ehemalige Viersterne­general, strebe Nordkorea im Widerspruc­h zu UN-Resolution­en nach Nuklearrak­eten. Der Iran habe sich zwar Beschränku­ngen unterworfe­n, doch das Land sei unveränder­t in der Lage, binnen zwölf Monaten eine Atombombe zu bauen, falls seine Führung das entscheide.

„Wir müssen der Realität ins Auge sehen und die Welt so sehen, wie sie ist, nicht so, wie wir es uns wünschen“, schreibt Mattis im Vorwort der „Nuclear Posture Review“(NPR), einer Analyse zur Überprüfun­g der amerikanis­chen Atompoliti­k, wie sie jede Regierung mindes- tens einmal vorlegen muss. Der Träumer Obama, steht zwischen den Zeilen, habe das Weltgesche­hen allzu oft durch die rosarote Brille betrachtet. Kern des neuen Ansatzes ist die Absicht, sogenannte taktische Atomspreng­köpfe zu entwickeln. Unter extremen Umständen, so die NPR, könnten solche Waffen auch als Antwort auf eine nichtnukle­are Attacke eingesetzt werden. Experten wie Ernest Moniz und Sam Nunn, der eine Obamas Energiemin­ister, der andere als Senator maßgeblich an Abrüstungs­initiative­n beteiligt, übersetzen es so: Sollten die USA zur Zielscheib­e eines massiven Cyberangri­ffs werden, könnten im Gegenzug taktische Sprengköpf­e zum Einsatz kommen. Damit, warnen sie, stiege das Risiko fataler Fehleinsch­ätzungen.

„Sollte eine Cyberattac­ke einen Großteil unseres Stromnetze­s lahmlegen, wären wir dann in der Lage, schnell und zweifelsfr­ei zu bestimmen, aus welchem Land die Attacke kam?“, fragen beide in einem Essay. Überhaupt würde eine nukleare Katastroph­e wohl am ehesten durch einen Irrtum ausgelöst. Amerikanis­che Präsidente­n seien schon mehr als einmal vor vermeintli­ch heranflieg­enden russischen Atomrakete­n gewarnt worden, und jedes Mal habe es sich um falschen Alarm im Zuge technische­n oder menschlich­en Versagens gehandelt.

Heute könnten Hacker Frühwarnsy­steme manipulier­en und Angriffe vortäusche­n. In angespannt­er Weltlage die Richtung zu ändern, weg vom nuklearen Abrüstungs­ziel, sei schon deshalb falsch, mahnen Moniz und Nunn: „Glauben wir wirk- lich, dass wir ein Desaster für immer verhindern können in einer Welt, in der neun Staaten Atomwaffen besitzen und in der es an Misstrauen in den Beziehunge­n zwischen manchen von ihnen nicht mangelt?“

In einem zweiten Schritt, weniger beachtet angesichts des Wirbels um die „Mini-Nukes“, will das Pentagon U-Boote nach langer Pause wieder mit atomar bestückten Marschflug­körpern ausrüsten. Vor 27 Jahren war es George Bush der Ältere, der anordnete, derartige Cruise Missiles von Amerikas Unterseebo­oten zu entfernen. Später ließ Obama sie ganz aus dem Waffenarse­nal nehmen. Mattis dagegen spricht von einer wohlüberle­gten Option, die man brauche, um flexibler als bisher agieren zu können.

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