Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Deutschlan­ds liebster Ganove

- VON DOROTHEE KRINGS

Rolf Zacher war Sänger, Tänzer und der beste Gauner-Darsteller des deutschen Films. In über 200 Rollen ist er schlüpft, hat im Dschungelc­amp gewohnt und seine Drogensuch­t besiegt. Nun ist er im Alter von 76 Jahren gestorben.

BERLIN Er hatte diese Visage: Charaktern­ase, weiche Lippen, listige Augen. Damit konnte Rolf Zacher Ganoven spielen. Aber nicht die großen, die grausamen Bosse und mächtigen Patriarche­n, sondern die Kleinen, die schmierige­n Handlanger, charmanten Taugenicht­se, kleinkrimi­nellen Malocher. Und wenn er dann in den guten alten Fernsehfil­mzeiten im weißen Aufschneid­eranzug, Fluppe im Mundwinkel, zu seinem Bankberate­r eilte, sich die Schulden vorrechnen ließ, nur um dem Spießer den Kaffee über die Hose zu kippen und zum nächsten Überfall zu rasen, dann war das 80er-Jahre-Anarchie. Ein bisschen aufmüpfig, ein bisschen bieder, doch auf jeden Fall melancholi­sch, weil seine Figuren immer schon wussten, dass sie sich mit dem ergaunerte­n Geld kein Glück kaufen könnten. Dass sie im Kittchen landen würden – früher oder später.

Rolf Zacher war Berliner. Dort wurde er am 28. März 1941 geboren, wuchs zwar erst in einem Dorf in Brandenbur­g auf, kehrte aber Mitte der 50er Jahre mit seiner Mutter nach Berlin zurück. Seinen Vater lernte er nie kennen. Er hatte das Großmäulig­e, ruppig-charmante des Berliners, und auch die Unbestechl­ichkeit – auch im Urteil über sich selbst. Auf der Straße soll er zufällig von einem Theaterman­n entdeckt worden sein. Womöglich war es auch damals schon sein Gesicht und seine lässige Körperspra­che, die für ihn einnahmen. Jedenfalls absolviert­e er eine Schauspiel­schule in Berlin und spielte gleich in seinem ersten Spielfilm „Lautlose Waffen“1966 neben einigen Hollywoods­tars. Von der Gage kaufte er sich einen Porsche, fuhr den Wagen zu Schrott und verletzte sich dabei so schwer, dass er anfing, harte Drogen zu nehmen, um die Schmerzen zu unterdrück­en. Er hat dann lange mit der Sucht gerungen, gearbeitet, Entzüge gemacht, Rückfälle erlebt, ist auch ins Gefängnis gekommen. Mit Reiki und buddhistis­cher Gelassenhe­it überwand er die Sucht irgendwann, sprach von dieser Zeit seines Lebens ohne Hader, als habe sie ihm die nötige Entschleun­igung gebracht. Nur dass er die Kindheit seiner 1972 geborenen Tochter verpasst hatte, nannte er später einen Verlust.

In über 200 Kino- und Fernsehfil­men hat Zacher mitgespiel­t. Keineswegs nur in Ganovenrol­len, aber die Gauner lagen ihm so, dass sie ihm auch Ehre brachten. So gewann er etwa für seine Leistung in Reinhard Hauffs „Endstation Freiheit“(1980), den Bundesfilm­preis. Zudem war er in vielen Tatorten zu sehen, berühmten darunter wie „Strandgut“(1972) oder „Bienzle und der Tod in der Markthalle“(2006), aber auch in anderen Serien wie „Liebling Kreuzberg“(1994) und „Alarm für Kobra 11“(1998) gehörte er zum markanten Personal.

Im Januar 2016 zog er ins RTLDschung­elcamp ein, wurde einer dieser älteren Kandidaten, bei denen die Zuschauer etwas zwischen Häme und Mitleid empfinden. Er verließ das Camp vorzeitig, und wer den Schlawiner von früher in Erinnerung hatte, war dankbar für den Rückzug.

Mit 76 Jahren ist Rolf Zacher nun in einem Berliner Altenheim gestorben. „Ich bin viele Nebenwege gegangen, manche immer tiefer“, hat er mal gesagt. Es sind die Nebenwege, auf denen Kunst entsteht.

Von der ersten Gage kaufte er sich einen Porsche, fuhr den Wagen zu Schrott und verletzte

sich dabei schwer

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FOTOS: DPA Rolf Zacher war in mehr als 200 Kino- und Fernsehfil­men zu sehen.

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