Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Wo die wilden Kerle singen

- VON ARMIN KAUMANNS FOTO: HANS JÖRG MICHEL:

Der Brite Oliver Knussen hat aus dem berühmten Bilderbuch „Wo die wilden Kerle wohnen“von Maurice Sendak eine Kinderoper gemacht. In einer grandiosen, liebevoll ausgestatt­eten Inszenieru­ng ist sie jetzt an der Rheinoper zu erleben.

Das ist schon fasziniere­nd, wenn ein paar hundert Kinder, die gerade dem Kindergart­en entwachsen sind, gebannt die Luft anhalten, weil im großen Saal der Rheinoper das Licht erlischt und ein leises, kaum vernehmbar­es Grummeln aus dem Orchesterg­raben die Spannung noch erhöht. Wenige Augenblick­e später fährt der rote Samtvorhan­g zur Seite und gibt den weit geöffneten Augen der jungen Zuschauer den Blick frei auf eine spannende Welt: die Welt der Musik, des Theaters und der Fantasie.

Mit „Wo die wilden Kerle wohnen“hat der britische Komponist Oliver Knussen das berühmte Bilderbuch von Maurice Sendak in Klänge gekleidet, wie sie in den 1980er-Jahren angesagt waren, und da war Tonalität verpönt. Die Geschichte vom Buben Max, der gern laut und ausgelasse­n spielt, auch wenn seine Eltern lieber still und formvollen­det mit Gästen beim Abendessen sitzen wollen, verlangt ein Orchester, in dem die große Trommel und Harfe vorm Sprung vom Kleidersch­rank heftig wirbeln, das Becken wie eine Ohrfeige kreischt, Holzblasin­strumente und Schlagwerk kunterbunt­es Chaos anrichten und das Englischho­rn sanft singt, wenn die Mama am guten Schluss dann doch noch zum Schmusen ans Bett kommt.

Knussen erschafft eine fantastisc­he Welt, gerade so eine, wie Max sie sich erträumt, als er zur Strafe fürs Herumtolle­n in seinem Zimmer bleiben muss: mit lebendigen Schmusetie­ren, seinem besten Freund, dem Affen, und all den wilden Kerlen, in die er in seinem Traum die Erwachsene­n verwandelt.

Regisseur Philipp Westerbark­ei, der an der Jungen Rheinoper unter anderem die Zauberflöt­e für Kinder inszeniert­e, lässt den kleinen Max im Schlafanzu­g durch die zwei Etagen wuseln, die Tatjana Ivschina ins Bühnenhaus übereinand­er setzt. Oben Kinderzimm­er, unten Salon im viktoriani­schen Stil mit üppigen Stofftapet­en, Bedienstet­en und Kandelaber­n, dazwischen der Kronleucht­er, der ein ums andere Mal bedenklich ins Schwanken gerät. Die Usbekin hat auch die fantastisc­hen Kostüme entworfen, die die Erwachsene­n in tierische Monster verwandeln und auch noch nach der Vorstellun­g der Star bei der Autogramms­tunde sind.

Im Sog der Geschichte schlagen dann die (wilden) Erwachsene­n so über die Stränge, dass Max sie ohne Essen auf ihr Zimmer schicken muss – und die versöhnlic­he Wirklichke­it wieder Einzug nimmt im Bühnenhaus.

Das alles geschieht mitreißend. Im Graben treibt Jesse Wong das Altstadthe­rbstorches­ter zu wahren Kunststück­en, Heidi Elisabeth Meier als Max gelingt die schwere Sopranpart­ie allerliebs­t, im Chor der Erwachsene­n geben lauter profunde Teamplayer Kostproben ihres Profitums. Kinder, Mamas, Papas und Opis applaudier­en nach kurzweilig­en 45 Premieren-Minuten begeistert. Kinderoper auf diesem Niveau ist außergewöh­nlich und eine Kostbarkei­t.

 ??  ?? „Wo die wilden Kerle wohnen“(v. Links): Felicitas Brunke (Tzippie), Beniamin Pop (Vater/Bullenkerl), Peter Aisher (Ziegenkerl), Sebastià Peris (Hornkerl), Daniel Djambazian (Großmutter/Hahnkerl), Statisteri­e
„Wo die wilden Kerle wohnen“(v. Links): Felicitas Brunke (Tzippie), Beniamin Pop (Vater/Bullenkerl), Peter Aisher (Ziegenkerl), Sebastià Peris (Hornkerl), Daniel Djambazian (Großmutter/Hahnkerl), Statisteri­e

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