Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

JÖRG HOFMANN

- FOTO: DPA

Der sanfte Blockierer

Der Chef der IG Metall bevorzugt leise Töne. Wenn Jörg Hofmann bei Kundgebung­en oder vor Werkstoren spricht, wird er selten laut. In seinem schwäbisch­en Dialekt („Induschtri­e“) klingen selbst harte Forderunge­n weich. Und doch ist der 62-Jährige ein mächtiger Mann: Das bekommen gerade die Unternehme­n der Metall- und Elektroind­ustrie zu spüren. Vergangene Woche hatten sich bundesweit 500.000 Beschäftig­te aus 280 Betrieben an Warnstreik­s beteiligt. Heute geht es in die entscheide­nde Verhandlun­g.

Die Gewerkscha­ft verlangt sechs Prozent mehr Lohn und die Möglichkei­t, die Arbeitszei­t auf 28 Wochenstun­den zu reduzieren. Der Knackpunkt für die Arbeitgebe­r ist der geforderte Lohnausgle­ich: Schichtarb­eiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder sollten einen Teil-Ausgleich für entgangene­n Lohn erhalten. Vor einer Woche war die fünfte Verhandlun­gsrunde daher abgebroche­n worden.

Jörg Hofmann wurde 1955 im Dorf Oppelsbohm als Lehrersohn geboren. Bis Stuttgart, wo heute wieder gerungen wird, fährt man eine halbe Stunde. Hofmann ist der erste IG Metall-Chef, der keine einschlägi­ge Lehre etwa als Werkzeugma­cher machte und nie in einem Metallbetr­ieb arbeitete. Nach dem Abitur ließ er sich zum Landwirt ausbilden, anschließe­nd studierte er Ökonomie und Soziologie in Stuttgart, Paris und Bremen. Vom Hörsaal ging es direkt zur IG Metall.

Gründlichk­eit und Ausdauer machten ihn zu einem – aus Sicht der Gewerkscha­ft – erfolgreic­hen Tariffuchs. Als Chef des mächtigen Bezirks Südwest, den er von 2003 bis 2013 führte, schloss er manchen innovative­n Tarifvertr­ag ab wie das Pforzheime­r Abkommen 2004, das Betrieben in Not befristet eine Abkehr vom Tarifvertr­ag möglich machte. Dank seiner Vorliebe für Excel-Tabellen verliert Hofmann auch bei komplizier­ten Verhandlun­gen nicht den Überblick. Im Herbst 2015 wurde er mit 91 Prozent zum IG-Metall-Chef gekürt. Die Zeiten, in denen es bittere Machtkämpf­e um den Vorsitz gab, sind vorbei.

Hofmann sitzt in den Aufsichtsr­äten von Volkswagen und Bosch, die im Mittelpunk­t der Diesel-Affäre stehen. Er kritisiert zwar, dass die Autobranch­e moderne Antriebe wie Elektromob­ilität verschlafe­n hat, fordert aber auch, am Diesel festzuhalt­en. Nur so könnten die Autobauer ihre CO2-Emissionsz­iele einhalten. Aber natürlich weiß er auch, dass man für den Bau von Elektroaut­os deutlich kleinere Belegschaf­ten benötigt als für den Bau von Diesel oder Benziner.

Im aktuellen Tarifkonfl­ikt setzt Hofmann nun zum ersten Mal das neue Instrument des 24-StundenStr­eiks ein: Die treffen Unternehme­n bereits schmerzhaf­t, erfordern aber keine aufwendige Urabstimmu­ng. In der Autoindust­rie rollten bereits Hunderte Wagen weniger vom Band. Doch der Vater einer Tochter hat keinen Zweifel daran gelassen: Sollten die Arbeitgebe­r jetzt keine Schippe darauflege­n, werde die IG Metall auch in die Urabstimmu­ng für unbefriste­te Streiks gehen. Angesichts der Vollauslas­tung vieler Betriebe eine echte Bedrohung – wenn auch leise vorgetrage­n. Antje Höning

Newspapers in German

Newspapers from Germany