Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch
Auf den SPD-Chef kommt es an
Auf den Kanzler kommt es an, war einst eine schlagkräftige Wahlwerbung der CDU. In der jetzt möglichen großen Koalition kommt es mehr auf den SPD-Vorsitzenden Martin Schulz an. Er hat es in der Hand, ob die Vernunftehe der beiden großen Parteien klappt.
Die wichtigste Frage dürfte sein, ob Schulz in die Regierung eintritt. Er hatte es im Wahlkampf ausgeschlossen und noch am Wahlabend beteuert, dass er nicht einem Kabinett von Angela Merkel angehören wolle. Darauf wollen ihn jetzt viele Parteifreunde verpflichten. Würde er vor dem Mitgliederentscheid, der nach Abschluss der Groko-Verhandlungen erfolgen soll, auf einen Ministerposten verzichten, wäre die Abstimmung fast gewonnen. Schulz hätte seine Glaubwürdigkeit enorm gesteigert.
Allerdings wäre seine Karriere in Berlin beendet. Denn ohne den Posten eines Außen- oder Finanzministers wäre er zur gleichen Rolle verurteilt, die schon dem früheren SPD-Chef Kurt Beck politisch das Genick brach – der eines Außenseiters. Freilich könnte sich Schulz trotz der trüben Aussichten dennoch dazu aufraffen. Er würde seiner Partei einen Dienst erweisen. Und vielleicht später mit dem Posten eines EU-Kommissars belohnt werden. BERICHT
Europas Ehrgeiz
Eine große Idee wird nicht größer, indem man sie aufbläht. Es kommt immer nur auf ihren Kern an. So verhält es sich mit Europa. Nicht die Masse der Mitglieder macht die EU aus, sondern das, was sie im Innersten zusammenhält: Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, funktionierende Verwaltungen. All dies ist längst nicht überall erreicht.
Umso sorgfältiger muss die Union abwägen, ob sie das Risiko eingehen will, die vorhandenen, beträchtlichen Geschwindigkeits-Unterschiede bei ihrer Entwicklung durch den Beitritt neuer, noch ganz am Anfang stehender Staaten wie die des westlichen Balkans zu vergrößern – Staaten, die sich obendrein untereinander nicht gerade grün sind. Die Furcht, dass sich die Türkei, Russland oder China, allesamt keine Verfechter westlicher Werte, diese Länder unter den Nagel reißen könnten, ist dabei kein guter Ratgeber.
Pläne, die nicht ehrgeizig sind, taugen nichts. Doch es kommt vor allem auf den Ehrgeiz der EU-Beitrittskandidaten an. Es ist ein Irrglaube zu vermuten, die Gemeinschaft werde es schon richten. Richten kann es nur das Bekenntnis zur europäischen Idee. BERICHT
Humanere Arbeitswelt
Die IG Metall und die Metall-Arbeitgeber haben einen guten Kompromiss für den Tarifvertrag gefunden: Es gibt eine eher vorsichtige Gehaltserhöhung von 4,3 Prozent, geltend bis März 2020. Einmalzahlungen kommen hinzu. Das Interessanteste aber sind die Flexibilisierungen der Arbeitszeit. Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen haben Anspruch auf zusätzliche acht freie Tage, für die sie dann aber auf einen Teil eines weiteren Urlaubsgeldes verzichten müssen. Im Ausgleich haben die Firmen aber das Recht, größere Teile der Belegschaft 40 Stunden die Woche arbeiten zu lassen.
Diese neue Freiheit sollte Schule machen. Pauschale Arbeitszeitverkürzungen wären trotz weiterer Rationalisierung falsch, weil viele Fachkräfte fehlen. Aber gerade um Mitarbeiter zu halten, müssen die Unternehmen mehr auf deren Bedürfnisse eingehen. Dies bedeutet: Mehr freie Zeit zum Pflegen der Eltern muss möglich sein, erst recht für die Kinderbetreuung am Nachmittag. Ist das wirtschaftsfeindlich? Nein, es ist die Zukunft der europäisch-christlich geprägten sozialen Marktwirtschaft. BERICHT ZEIT STATT GELD IM METALL-TARIFVERTRAG, TITELSEITE