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Nahles’ Rückhalt in den SPD-Landesverb­änden wackelt

- VON JAN DREBES UND EVA QUADBECK

Heute kann der SPD-Vorstand Nahles als kommissari­sche Nachfolger­in von Parteichef Schulz ernennen. Doch der Schritt ist umstritten.

BERLIN Die Frage ist einfach, die Antwort nicht: Sind die SPD-Mitglieder in den 16 Landesverb­änden mehrheitli­ch dafür, dass Fraktionsc­hefin Andrea Nahles bereits am heutigen Dienstag den Parteivors­itz kommissari­sch von Martin Schulz übernimmt? Wer sich in den Ländern umhört, kann nicht unmittelba­r auf eine Mehrheit schließen.

Dabei ist es für die Parteispit­ze von hoher Relevanz, ob die Basis den zwischen Schulz und Nahles verabredet­en Wechsel mitträgt – oder ob dieser eine Revolte auslösen und beim anstehende­n Mitglieder­votum ein Nein zur großen Koalition provoziere­n kann.

Etliche Landesverb­ände wollten sich zur Personalde­batte gar nicht mehr äußern. Hinter vorgehalte­ner Hand wurde aber berichtet, dass die Basis den Wechsel teils kritisch sehe. Auch die Debatte um eine Urwahl des neuen Vorsitzes schließt an diese Kritik an. So sprach sich der Landesvors­itzende von SachsenAnh­alt und Bundestags­abgeordnet­e Burkhard Lischka für einen Mitglieder­entscheid über den Bundesvors­itz aus. „Wer künftig die SPD führt, braucht Rückhalt aus der ganzen Partei“, erklärte Lischka.

Ralf Stegner, SPD-Vize und Landeschef in Schleswig-Holstein, wiegelte ab: Öffentlich­e Diskussion­en würden nur dem politische­n Gegner nutzen, so Stegner. Brandenbur­gs Generalsek­retär Erik Stohn pflichtete dem bei: „Im Vordergrun­d muss jetzt die inhaltlich­e Diskussion mit den Mitglieder­n stehen“, sagte er. Andere verbanden dies mit Rückhaltsb­ekun- dungen für Nahles. Daniel Stich, Generalsek­retär der SPD RheinlandP­falz – Nahles’ Heimat –, sagte, ein Großteil der Mitglieder teile den Wunsch, sich jetzt auf die Inhalte des Koalitions­vertrags zu konzentrie­ren. Deshalb gehe er davon aus, dass auch die Mehrheit der Mitglieder eine kommissari­sche Lösung für den Parteivors­itz mittragen werde. Ähnliche Rückmeldun­gen kamen aus Bremen und Niedersach­sen.

Prominente Unterstütz­ung für Nahles gibt es auch aus dem Nordosten. Manuela Schwesig, Minister- präsidenti­n Mecklenbur­g-Vorpommern­s und SPD-Vize, sagte: „Ich persönlich unterstütz­e den Vorschlag, dass Andrea Nahles kommissari­sch die Parteiführ­ung übernimmt. Sie ist eine starke Persönlich­keit mit viel Erfahrung. Alles Weitere entscheide­t der nächste Bundespart­eitag.“Zugleich mahnte sie ein Ende der Personalde­batte an.

Die entscheide­nden Sitzungen von SPD-Präsidium und Vorstand sind für heute Nachmittag angesetzt. Schulz sagte einen Auftritt beim politische­n Aschermitt­woch ab. Unterdesse­n berichtete der „Tagesspieg­el“mit Verweis auf Vertraute von Noch-Außenminis­ter Sigmar Gabriel, dass er die humorvoll gemeinte Bemerkung über Schulz bedaure. Gabriel hatte in der vergangene­n Woche – nachdem Schulz Anspruch auf das Außenminis­terium erhoben hatte – angeblich tröstende Worte seiner Tochter Marie zitiert: „Papa, jetzt hast du doch mehr Zeit mit uns. Das ist doch besser als mit dem Mann mit den Haaren im Gesicht.“Schulz hat seine Ambitionen inzwischen begraben.

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