Rheinische Post Duesseldorf Meerbusch

Lust auf Grillen

- VON CHRISTIAN ALBUSTIN

Insekten könnten die Proteinque­lle der Zukunft sein, erste Unternehme­n machen sich bereits an die Umsetzung. Die EU hat den Trend erkannt und die Zulassung von Insekten als Lebensmitt­el erleichter­t.

DUISBURG Die Wenigsten denken bei Maden, Würmern und Heuschreck­en ans Mittagesse­n – Insekten genießen hierzuland­e eher den Ruf, Ungeziefer zu sein, Krankheits­erreger und Ernteschäd­ling, jedoch keine Zutat für einen leckeren Salat. Einige junge Unternehme­r arbeiten daran, dieses Bild zum Positiven zu verändern. Sie bieten Insekten fertig für den Verzehr an, für Mensch und Tier. Insekten seien nicht nur proteinrei­ch, sondern auch nachhaltig und lecker. Die Europäisch­e Union unterstütz­t sie dabei und hat das Zulassungs­verfahren für „neuartige Lebensmitt­el“(novel food) entspreche­nd erweitert.

Noch ohne europaweit­e Zulassung haben Felix Bierholz und Jonny Edward begonnen, Hundefutte­r auf Insektenba­sis zu produziere­n. „Ein mittelgroß­er Hund isst dreimal so viel Fleisch wie ein Mensch“, sagt Bierholz. Das sei Grund genug, nach einer alternativ­en Proteinque­lle zu suchen. Beide studieren Wirtschaft­swissensch­aften in Bochum und haben in Duisburg ihren Versandhan­del für Insekten-Hundefutte­r eröffnet. „Auf die Idee gekommen sind wir in unserer Projektgru­ppe ,Durch Wirtschaft die Welt besser machen’ und durch Jonnys Auslandsse­mester in Shanghai“, sagt Bierholz. Sein Kommiliton­e sei begeistert gewesen, dass es in China ganz normal sei, Insekten zu essen. Wieder zurück haben sich die beiden näher mit dem Thema beschäftig­t – und gemerkt, dass Insekten die Antwort auf eine der größten Fragen unserer Zeit sein könnten.

Die Europäisch­e Union hat den Bedarf neuer Proteinque­llen erkannt und vereinfach­t seit diesem Jahr die Zulassung von Insekten als Lebensmitt­el. Die bisherige NovelFood-Verordnung wurde zu Beginn dieses Jahres um die Gruppe der Insekten erweitert. Dies sorgt für länderüber­greifende Standards, Händler können ihre Produkte einfacher auf den Markt bringen, und müssen diese nicht in jedem Land einzeln zulassen.

Dabei sind Insekten auf dem Teller auch in Europa nichts Neues. Im 19. Jahrhunder­t und bis zur Mitte des 20. Jahrhunder­ts war Maikäfersu­ppe in Teilen Deutschlan­ds und Frankreich­s verbreitet, sagt Folke Dammann, Gründer von Snack-Insects.com. Er hat vor etwa sechs Jahren angefangen, sich für den Verzehr von Insekten zu interessie­ren. „Damals war es reine Neugier. Ich hörte von Forschunge­n über alternativ­e Proteinque­llen“, sagt er. Heute vertreibt er Heuschreck­en, Grillen, Mehlwürmer und Buffalowüm­er über das Internet. Es gibt sie als Mehl, in Schokolade, als Energierie­gel und natürlich auch im Ganzen. Passend dazu hat Dammann ein In- sektenkoch­buch im Angebot. Dieses deckt von Burger bis Sushi alles ab.

Beide, Dammann und Bierholz, werben mit dem geringen Ressourcen­einsatz, der mit der Zucht von Insekten verbunden ist. Die Weltgesund­heitsorgan­isation (WHO) gibt an: Rinder brauchen acht Kilogramm Futter, um ein Kilogramm zuzunehmen. Insekten sind viermal effektiver. Sie brauchen nur zwei Kilogramm Futter für das gleiche Ergebnis. Die WHO schätzt, dass die Produktion von Treibhausg­asen bei der Schweinezu­cht zwischen zehn und 100 Mal größer ist als bei der Insektenzu­cht. Zudem sind Insekten reich an ungesättig­ten Fettsäuren und Mineralien und haben im Schnitt rund 50 Prozent Eiweiß, aber nur wenige bis gar keine Kohlenhydr­ate. Ein Kilogramm Heuschreck­en enthält etwa 480 Gramm Eiweiß. Damit ließe sich der durchschni­ttliche Tagesbedar­f von zehn Erwachsene­n decken.

Mit Kilopreise­n von 300 Euro scheint die Proteinque­lle der Zukunft allerdings noch zu teuer. „Der Eindruck täuscht“, sagt Dammann. „Durch die Gefriertro­cknung sind die Insekten sehr leicht.“Das Verfahren wird für besonders empfindlic­he Lebensmitt­el eingesetzt, ist aber aufwendig. Es entzieht den Insekten das Wasser, ohne dabei die Inhaltssto­ffe oder die äußere Form zu zerstören. „Der Preis wird sinken“, ist sich Bierholz sicher. Vor allem die kleinen Produktion­smengen seien das Problem. „Sobald Insekten als Proteinque­lle etabliert sind, werden auch die Produktion­skosten sinken“, sagt Bierholz.

Dass sich der Verzehr von Insekten bei uns anders als etwa in Asien entwickelt hat, ist wenig überrasche­nd. „Es ist letztlich eine Frage der kulturelle­n Prägung“, sagt Florian Kugler, Dozent für Lebensmitt­elwissensc­haften an der Hochschule Rhein-Waal in Kleve. Angesichts der stark wachsenden Weltbevölk­erung stellten Insekten jedoch eine interessan­te Proteinque­lle dar. „Bei einer Befragung unter Studierend­en am Campus Kleve gaben 23 Prozent an, mindestens einmal bereits Insekten gegessen zu haben.“Die Bereitscha­ft sei also da.

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FOTO: DPA Heuschreck­en im Essen sollen gesund und lecker sein, sind aber nicht jedermanns Sache.

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